Falscher Ort, falsche Zeit
haben.«
Coney Island, fünfzehn Jahre zuvor. Zwei Rednecks aus Brooklyn hatten es sich in den Kopf gesetzt, dass eine schöne junge weiße Frau wie Katrina etwas Besseres finden könne als einen kleinen dicken schwarzen Mann. Alle drei Kinder waren dabei. Dimitri, der Älteste, war noch keine acht.
Die beiden Typen hatten noch kurz Zeit zum Rückzug. Ich stand auf, ging zu ihnen, und die Zeit war abgelaufen.
»Daran hat er sich erinnert, hm?«, sagte ich.
»Ja«, erwiderte Bertrand mit Nachdruck.
»Setzen wir uns, Leonid«, sagte Katrina, die Friedensstifterin.
»Sie sehen ein bisschen zu alt aus, um ein Kommilitone von D zu sein«, meinte ich zu Bertrand, als wir Platz nahmen.
»Meine Eltern besitzen eine Bäckerei in Astoria. Ich wollte eine Filiale in SoHo eröffnen. Aber als die Bank einen Businessplan verlangte, wurde mir klar, dass mir das Wissen fehlte, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Also habe ich beschlossen, zurück aufs College zu gehen. Am Anfang waren es nur Fortbildungskurse am City College. Aber dann hab ich gemerkt, dass mir Wirtschaft wirklich gefällt, und ich habe mich entschieden, noch einen Abschluss zu machen. Dimitri hab ich letztes Jahr kennen gelernt.«
Das klang alles durchaus plausibel. Die Generation X und ihre Erben brauchten länger zum Erwachsenwerden als ihre Vorgänger. Ich wusste nichts über Dimitris Leben, doch er musste Freunde und Studienkollegen haben.
»Ist D in seinem Zimmer und zieht sich um oder was?«, fragte ich.
»Nein«, antwortete Katrina. »Er ist immer noch nicht nach Hause gekommen.«
»Und warum sind Sie dann hier?«, fragte ich den Mann mit dem Jungengesicht.
»Ich habe Dimitri seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen«, erwiderte er. »Er kommt nicht zu den Seminaren. Er geht nicht ans Telefon. Also dachte ich mir, ich guck mal vorbei, um zu sehen, ob es ihm gut geht.«
Mein Atem ging wieder normal. Die Wut über meine eigene Hilflosigkeit war durch die Prüfung der Treppe gemildert.
Aber meine Kopfschmerzen wurden schlimmer.
»Ich habe Mr. Arnold gefragt, ob er jemanden kennt, den ich anrufen könnte, um Dimitri zu erreichen«, sagte Katrina.
»Kennen Sie eine Freundin von D «, fragte ich Bertrand, »ein Mädchen namens Tanja oder so? Möglicherweise eine Russin?«
»Ich habe ihn in den letzten Wochen ein paar Mal mit einem blonden Mädchen gesehen. Wie sie heißt, weiß ich nicht. Sie hat nie etwas gesagt, und Dimitri hat sie immer gleich weggeschickt, wenn ich in der Nähe war. Ich glaube, er war ein bisschen eifersüchtig.«
»Warum? Haben Sie ihr schöne Augen gemacht?«
»Sie ist sehr hübsch, aber ich würde nie ein Mädchen anmachen, mit dem er zusammen ist.«
»Ich mache mir große Sorgen, Leonid«, sagte Katrina.
»Ich habe auf dem Nachhauseweg mit Dimitri gesprochen«, sagte ich, was nicht komplett gelogen war. Ich hatte mit ihm gesprochen. »Er hat gesagt, dass er und Twill mit irgendwelchen russischen Mädchen unterwegs sind. Mardi hat mir erzählt, dass Dimitris Freundin möglicherweise Tanja heißt.«
»Mardi Bitterman?«, fragte Katrina.
»Ja. Sie ist jetzt meine Sekretärin. Twill hat mich gebeten, sie anzustellen, und ich glaube, es könnte funktionieren.«
»Möchtest du wirklich, dass so ein Mädchen für dich arbeitet?«
»Was für ein Mädchen?«
»Du weißt schon … ihre Geschichte. Du hast es mir selbst erzählt.«
»Sie wurde vergewaltigt, und deshalb kann sie nicht mehr arbeiten?«
Katrinas eisiges Schweigen war ein Rückfall in die Tage, als wir uns offen verabscheut hatten.
»Ich sollte jetzt besser gehen«, sagte Bertrand.
Er stand auf.
»Könnten Sie Ihre Telefonnummer dalassen?«, sagte ich. »Ich meine, falls D nicht wieder auftaucht, möchte ich Sie vielleicht um Hilfe bitten.«
»Selbstverständlich«, erwiderte der hilfsbereite Bäcker.
»Ich hole Stift und Papier«, sagte Katrina.
Sie wollte keinen Streit mit mir, jedenfalls nicht wegen Mardi Bitterman.
Bertrand stand verlegen da, während ich ihn musterte. Er spürte, dass ich keinem Fremden in meinem Heim traute. Und damit hatte er recht. Ich wusste nicht, in welchen Schwierigkeiten Dimitri steckte. Vielleicht versuchte Bert, uns über unseren Sohn auszuhorchen.
Wir wechselten kein Wort, bis Katrina mit einem Kuli und einem Spiralblock zurückkam.
»Etwas anderes habe ich nicht gefunden«, entschuldigte sie sich.
Bert nahm den Notizblock und begann zu schreiben.
»Die erste Nummer ist mein Handy«, sagte er. »Die zweite
Weitere Kostenlose Bücher