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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Zähnen.
     
    In der 69 th Street gab es ein zwölfstöckiges Gebäude mit einem Tennisplatz auf dem Dach. Gut betuchte Damen und Herren mieteten für hundertzwanzig Dollar die halbe Stunde einen von drei Courts, um unter der Sonne oder dem Mond von Manhattan zu spielen.
    Shad Tandy half denen, die sich seine Honorare leisten konnten, die Rückhand und den Aufschlag zu verbessern.
    Laut der Unterlagen, die Rinaldo mir gegeben hatte, war Shad der Sohn einer Frau, die früher einmal reich gewesen war. Jetzt war sie arm, hatte es aber irgendwie geschafft, ihren Sohn mit Putzen und Stipendien auf die richtigen Schulen zu schicken. Er hatte den Stammbaum und die manikürten Finger eines jungen Kennedy und den Kontostand des Mannes, der im Park versucht hatte, mir einen Dollar abzuknöpfen.
    Shad war knapp eins achtzig groß mit sandfarbenem Haar und dunkelbraunen Augen. Er hatte den trainierten Körper eines Tennisspielers mit kräftigen Beinen und schlanken Armen.
    Die Frau mittleren Alters, die er unterrichtete, schien entzückt, sich zur Demonstration einer gelungenen Rückhand von hinten von ihm umarmen zu lassen. Ich war mir sicher, sie zahlte die vier Dollar pro Minute allein für die körperliche Nähe ein, vielleicht auch zwei Mal die Woche.
    Ich setzte mich an einen Tisch auf einem Stück Kunstrasen, wo man warten konnte, bis einer der Plätze frei wurde. Ich hatte spontan eine Unterrichtsstunde bei dem einunddreißigjährigen Tandy gebucht. Das Land litt unter einer ernsten Rezession, und es gab jede Menge Lücken im Belegungsplan der Courts. Ich hatte einen Koffer voller Geld, deshalb waren hundertzwanzig Dollar gar nichts für mich.
    »Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen, Mr. McGill?«, fragte Lorna Filomena.
    Die zwanzigjährige Brünette trug ein reizendes Tennis-Outfit mit kurzem Röckchen, weißen Tennisschuhen und hellblauen Söckchen.
    »Haben Sie in dem Schrank da auch Cognac?«, fragte ich sie.
    »Nein, Sir«, sagte sie nach wie vor lächelnd, »wir haben nur Wasser.«
    »Mit Sprudel?«
    »Still.«
    »Warum nicht?«, sagte ich. »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.«
    Sie ging zu der Tür, die zum Fahrstuhl führte, beugte sich vor und förderte von irgendwoher eine kleine Flasche Evian zutage.
    Sie gab mir den gekühlten Plastikbehälter und fragte: »Sind Sie wirklich hier, um Tennis zu spielen?«
    »Warum? Sehe ich nicht aus wie ein Tennisspieler?«
    »Normalerweise tragen die Leute zum Tennis nicht Anzug und Straßenschuhe.«
    »Gefällt Ihnen mein Anzug nicht?«
    »Er ist wirklich sehr schick«, sagte sie mit Betonung auf dem vierten Wort, um zu zeigen, dass sie es ernst meinte. »Aber es ist einfach keine Tenniskleidung.«
    »Warum hätte ich Ihnen das ganze Geld geben sollen, wenn ich gar keine Tennisstunde haben wollte?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht«, meinte Lorna. »Sie haben namentlich nach Mr. Tandy gefragt, und ich habe gehört, dass er Probleme mit Leuten hat, denen er Geld schuldet.«
    Der spielerische Tonfall konnte ihre Abneigung gegen Shad Tandy nicht kaschieren.
    »Finden Sie, ich sehe aus wie ein Knochenbrecher?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht.« Sie lehnte sich an die Wand und legte den Kopf zur Seite. Sie war wirklich sehr hübsch. »Sie sehen jedenfalls bestimmt nicht aus wie ein Tennisspieler.«
    »Wem schuldet er Geld?«
    »Shads Mutter ist die reinste Hexe«, sagte Miss Filomena. »Sie muss unbedingt ein Luxusleben führen, dabei hat die Familie ihr Geld schon verloren, als Shad noch gar nicht geboren war. Sein Vater sitzt noch im Gefängnis. Shad macht ständig irgendwelche Sachen, um Geld zu besorgen. Dabei geht er vielleicht manchmal zu weit.«
    »Hatten Sie und Shad mal was miteinander?«
    Sie dachte gut sechs Sekunden nach, entschied, dass sie nichts zu verlieren hatte, und sagte: »Ja, hatten wir. Er hat mir alle möglichen Geschenke gemacht und noch mehr Lügen erzählt. Dann hat seine Mutter gesagt, ich wäre nicht gut genug für ihn, und er hat mir unter Tränen erklärt, dass es aus ist.«
    »Sie hätten also nicht direkt etwas dagegen, wenn ich hier wäre, um ein paar Dollar aus ihm herauszuprügeln?«
    »Ich würde wahrscheinlich an die zehn Minuten bis zum Telefon brauchen, um die Polizei anzurufen.«
    Ich mag es, wenn Menschen, mit denen ich zu tun habe, ehrlich sind. In neun von elf Fällen übertrumpft die Wahrheit jede gute Absicht.
    »Hey, Lorna«, sagte Shad Tandy.
    Er kam auf uns zu. Seine Schülerin war verschwunden.
    »Hier ist dein nächster

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