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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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durch die Tür.
    Wenn mein Vater da gewesen wäre, hätte ich ihn gefragt, inwiefern dieser spezielle Augenblick ein Produkt der ökonomischen Basis war, die sich durch die Geschichte entfaltete.
     
    Es gelang mir, den Schmerz über Auras Abschied zu verdrängen, indem ich mich wieder Angelique zuwandte. Sie war ein Rätsel und verschwunden, sie hatte das Interesse eines Mannes geweckt, der so gefährlich war wie ein Terrorist oder ein von der Regierung ausgebildeter Killer.
    Ich glaubte ernsthaft, dass Alphonse Rinaldo einen Präsidenten stürzen konnte, wenn er es wirklich wollte.
    Und nun hatte er diese junge Frau im Visier. Die Frage, ob er ihr Schaden zufügen wollte oder nicht, stellte sich erst mal nicht. Im Moment konnte ich nur meiner Nase folgen.
    Ich beschloss, mein Bestes zu geben, um Angelique zu retten. Schließlich steckte sie in Schwierigkeiten. Ich würde sie Angie nennen und bis zum Beweis des Gegenteils an ihre Unschuld glauben. Sie war meine Klientin und Rinaldo der Teufel, mit dem ich fertigwerden musste.
    Die Geschichte führt die Hand aller Menschen , flüsterte die Stimme meines Vaters aus einem von einem Dutzend möglicher Gräber.
    »Quatsch«, sagte ich laut.
    Und dann klingelte das Telefon.
    Anstatt abzunehmen, dachte ich an einen Satz aus einem Artikel, den ein Mann irgendwo in Afrika gesagt hatte: »In der Ebene, wo ich zu Hause bin, regnet es nie, aber einmal im Jahr kommt die Flut.«
    Nach zweimaligem Klingeln verstummte das Telefon. Kurz darauf summte meine Gegensprechanlage.
    »Ja, Mardi?«
    »Ein Breland Lewis ist am Telefon für Sie.«
    »Sag ihm, er soll einen Moment warten. Ich nehme das Gespräch gleich an.«

14
    Ich bekam nicht gern Anrufe von Anwälten. Die bloße Erwähnung von Lewis’ Namen ließ mich schaudern.
    Und das war bloß die Reaktion auf meinen eigenen Anwalt. Wenn man mich aufgefordert hätte, eine Liste mit zwölf Freunden zu erstellen, wäre Breland dabei gewesen. Trotzdem war er ein Vertreter des Gesetzes, und das Gesetz ist ungeachtet seines Auftrags, die Leute zu schützen, kein Freund des Menschen.
    »Breland«, sagte ich in den Hörer.
    »Wie geht es dir, Leonid?«
    »Sag du’s mir.«
    »Es ist wieder mal Ron Sharkey.«
    Ron Sharkey war das Symbol für gut zwei Jahrzehnte krimineller Aktivität meinerseits. In den Jahren, in denen ich Aufträge für den Mob erledigte, hatte ich das Leben von weit mehr als hundert Menschen zerstört. Die meisten waren selbst Verbrecher gewesen, so dass ich mich damit trösten konnte, nur ein Instrument der Vergeltung für das Richtige und Gute im Leben gewesen zu sein.
    Aber ich hatte unterwegs auch ein paar Unschuldige erledigt. Und einer von ihnen war Ron Sharkey. Aufgrund meiner Machenschaften hatte er alles verloren, ohne je meinen Namen gehört oder mein Gesicht gesehen zu haben.
    Nachdem Sharkey aus dem Gefängnis entlassen worden war, beauftragte ich Breland damit, ihn im Auge zubehalten. Die Jahre im Knast hatten den vormals ehrlichen Geschäftsmann gebrochen. Als er wieder draußen war, wurde er drogensüchtig und kleinkriminell. Die Polizei verhaftete ihn bei mehr als einem Dutzend Gelegenheiten, und jedes Mal war Breland als sein Vertreter vor Gericht mit der Kaution zur Stelle.
    »Wo ist er jetzt wieder reingeraten?«, fragte ich.
    »Es ist ein wenig kompliziert. Vielleicht sollten wir uns zusammensetzen und reden.«
    »Ja«, sagte ich, »okay. Hör zu, ich hab im Augenblick eine Menge auf dem Zettel. Hat das ein, zwei Tage Zeit?«
    »Klar. Ein oder zwei Tage sind okay. Aber eine Woche kann es nicht mehr warten.«
     
    Der Anruf von Breland Lewis markierte den Beginn lang anhaltender Kopfschmerzen. Sie erblühten hinter meinem linken Auge, eine knallrote Rose aus Schmerz. Es war nicht wegen Sharkey und nicht einmal wegen meiner ahnungslosen Klientin Angie. Es war eher all das zusammen und alles auf einmal.
    »Wenn man die Fünfzig erst mal überschritten hat, kommt einem das Leben mit Karacho entgegen«, hatte Gordo Tallman mir anlässlich meines 49. Geburtstags erklärt. »Bis dahin geht es mehr oder weniger stetig bergauf. Die Frau schaut zu einem auf, die jüngeren Kinder sind noch klein und die älteren Kinder klug genug, einen nicht zu sehr zu belasten. Aber wenn man dann gerade anfängt, ein paar Pfund zuzulegen und seine Kondition zu verlieren, erwarten die Kids mit einem Mal, dass man seine Versprechen erfüllt, und die Frausieht plötzlich jeden einzelnen Makel. Wenn man noch Eltern hat, werden sie

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