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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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betrog – das tat sie nicht. Aber als Laurel meine Karte in seiner Brieftasche fand, verließ sie ihn und zog mit Mr. Brown zusammen.
    »Ein paar Monate später rief mich Lavender an, um Munition für die Scheidung zu sammeln. Ich hab ihm gesagt, dass er mich lieber nicht in den Zeugenstand rufen sollte.«
    »Warum nicht?«, fragte Mardi.
    »Weil ich die Aussagen seiner Frau nur hätte bestätigen können.«
    Im Grunde hatte Lavender mich engagiert, um seine Ehe zu versenken. Und genau das habe ich getan.
    »Ich ziehe mich rasch um und gehe dann zu einem Termin«, sagte ich.
    »Okay«, erwiderte Mardi.
    In meinem Büro ging ich Angies Post durch. Drei Rechnungen, vier Spendenbettelbriefe von klammen Hilfsorganisationen, sechs Werbeflyer für Musicals und Konzerte und eine Postkarte aus San Francisco.
     
    Hey Ang,
    ich bin für ein paar Tage geschäftlich hier und habe an unseren Spaziergang über die Golden Gate Bridge gedacht. Du fehlst mir.
    Alles Liebe, John
     
    In jenem Monat hatte Detective Kitteridge seinen Schreibtisch im 10. Revier in der West 20 th Street. Ich ging vorbei in der Hoffnung, dass er nicht da war. Aber selbst wenn, spielte das keine große Rolle. Ich war nicht zu dem Termin erschienen, den er mir genannt hatte, weil die Polizei hin und wieder daran erinnert werden muss, dass wir in Amerika leben und die Bürgerrechte der Grundstein des Gesetzes sind.
    Auf der Wache war ich bekannt, wenn auch nicht besonders beliebt. Für die meisten New Yorker Polizisten war ich wie ein Werwolf oder Greif – ein sagenhafter Dämon, dem alles zuzutrauen war, vom Verspeisen von Säuglingen bis zum Scheißen auf die Seelen von Jungfrauen.
    »Ist Detective Kitteridge da?«, fragte ich den Sergeant am Eingang.
    Der braunäugige, blasse Mann sah mich so herablassend an, wie er nur konnte, und drückte auf einen Knopf.
    Dann wies er mit dem Kopf auf einen Wartebereich, und ich setzte mich auf eine einsame Bank, die für Besucher bereitstand. Sie war aus hartem Holz und hatte von langjähriger Benutzung und wenig Pflege viele Flecken und Macken. Ich stützte die Ellbogen auf die Knie und faltete die Hände, ein bußfertiger Sünder an der Pforte des Hauses der Verdammnis.
    Ich atmete durch die Nase ein und durch den Mund aus und begann meine Atemzüge zu zählen. Bei zehn fing ich wieder von vorne an. Das tat ich, bis meine Gedanken abschweiften. Als ich das merkte, fing ich wieder an zu zählen.
    Bei alldem pochten meine Kopfschmerzen weiter, doch daran gewöhnte ich mich allmählich.
    Diese Übung wiederholte ich eine ganze Weile, länger als eine Stunde. Ich tat es, damit mein Verstand ruhig und wach blieb. Ich konnte es mir nicht leisten, wütend zu werden.
    Detective Kitteridge war über kleinliche Rache nicht erhaben. Ich hatte mich geweigert, zu der von ihm genannten Zeit zu erscheinen, jetzt musste ich warten. Auf diese Weise bekam er seine Revanche und konnte gleichzeitig testen, wie groß mein Interesse an dem Doppelmord war. Wenn ich blieb, musste ich etwas von ihm wollen. Und vielleicht würde dieses Etwas mich in irgendeiner Weise belasten.
    Die Bullen hatten ihre Angewohnheiten, und ich hatte meine. Also saß ich da, zählte Luftpäckchen und erinnerte mich daran, dass Atmen der kostbarste Moment im Leben jedes Säugetiers ist.
    » LT «, sagte er.
    Ich blickte auf und lächelte.
    Diese sanfte Reaktion hatte er nicht erwartet. Carson Kitteridge, mein von der Stadt beschäftigter persönlicher Peiniger, verzog das Gesicht.
    Kitteridge hatte knochenweiße Haut und in etwa so viele Haare wie ich – sehr wenige. Seine Augen waren blassblau wie ein verhangener Nachmittag im Spätsommer. Er war noch kleiner als ich. Ich würde nicht sagen, dass wir uns mochten, aber wie bei so vielen Leuten in der modernen Welt brachte unsere Arbeit uns häufiger zusammen, als uns lieb war.
    »Einen Tag zu spät und mit leeren Taschen«, sagte ich. »Aber hier bin ich.«
    »Kommen Sie mit in mein Büro.«
     
    Carson gab einen Code in ein elektrisches Schloss ein und führte mich in den abgesicherten Bereich der Wache. Wir kamen an ein paar Büros vorbei und gingen durch einen Umkleideraum. Von dort traten wir durch eine außergewöhnlich schmale Tür in ein enges und steiles Treppenhaus, stiegen vier Stockwerke nach unten und kamen schließlich in einen langen, dunklen Flur. Festgenommen und in Handschellen hätte ich gedacht, dass er einen Anschein von Endgültigkeit hatte.
    Ich kannte nicht wenige Vertreter der Halbwelt,

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