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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Bruder?«
    »Mr. Lear ist es gleichgültig, wen er für die Information bezahlt«, sagte ich schlicht, unbeeindruckt von seiner Demonstration körperlicher Kraft.
    »Ich hab gesagt, Sie sollen verschwinden.«
    »Sie wollen das Geld nicht?«
    »Ich will Ihnen mit diesem Schraubenschlüssel den Schädel spalten.«
    Die meisten Menschen können einem ihren Job mit erstaunlicher Präzision erklären. Man hat ihnen, sagen wir, einhundert Aufgaben gegeben, und sie haben sie alle bewältigt. Und wenn sie nur siebenundneunzig Aufgaben erledigt haben, dann haben sie eine gute Entschuldigung für den Ausrutscher – der in der Regel die Schuld eines anderen war. Der Generator ist ausgefallen, erzählen sie einem womöglich. Oder ihre Kollegen, Untergebenen oder Vorgesetzten haben ihre Versprechen oder Termine nicht eingehalten.
    Sogar der Präsident der Vereinigten Staaten hat behauptet, dass sein Krieg ein Irrtum war, basierend auf Fehlinformationen von Leuten, bei denen er sich darauf verlassen hatte, die Wahrheit geliefert zu bekommen.
    Menschen, die in Systemen arbeiten, können ihre eigenen Mängel leugnen, weil sie von Leuten umgeben sind, die genauso fehlbar sind wie sie selbst.
    Diesen Luxus habe ich nie gekannt. Ich arbeite für mich und nach meinen Regeln. Als ich als Ganove im Auftrag von Gangstern tätig war, war es unerlässlich, meine eigenen Schwächen zu kennen, weil ein Fehltritt zumindest Gefängnis und im schlimmsten Fall den Tod bedeutet hätte. Und nachdem ich beschlossen hatte, ehrlich zu werden, waren meine Optionen noch weiter eingeschränkt. Niemand würde mich schützen. Niemand würde meine Fehler decken.
    Einer meiner gravierendsten Fehler ist körperliche Selbstüberschätzung. Ich habe fast nie Angst vor einem Mann oder einer Gruppe von Männern, die mich bedrohen. Deshalb war ich, als ich Gustav und seinen osteuropäischen Gorillas gegenüberstand, die meiste Zeit furchtlos.
    Diese Furchtlosigkeit ist, allein wegen der Unbedingtheit des Wortes in einer realen Welt, unbegründet. Ich kann verletzt werden. Ich kann getötet werden. Und schlimmer als all das, ich kann verlieren. Aber im Grunde meines Herzens war ich mir dieser Tatsachen irgendwie nicht bewusst. Als Pete also drohte, mir den Schädel einzuschlagen, lächelte ich.
    Es war kein breites Grinsen. Ich zeigte ihm nicht die Zähne, es war bloß ein kurzes Aufflackern der Geringschätzung auf meinen Lippen, mit dem ich die unsichtbare Linie überschritt, die Pete in seiner Vorstellung in den Beton zu unseren Füßen gezogen hatte.
    Die meisten Menschen, die mich anschauen, sehen einen kleinen, kahlen, übergewichtigen Schwarzen mittleren Alters, keine große Bedrohung. Aber der Knast hatte Pete gelehrt, genauer hinzugucken.
    Nach meinem angedeuteten Grinsen studierte er mich wie ein Religionsgelehrter ein bröckeliges Originalpergament des Neuen Testaments.
    Es dauerte eine Minute, bis er schließlich sagte: »Zeigen Sie mir irgendeinen Ausweis.«
    John Tooms hatte eine Lizenz als Privatdetektiv mit meinem Foto, versiegelt und abgestempelt, selbst bei genauester Untersuchung ein offensichtlich offizielles Dokument und so falsch wie ein Hunderttausend-Dollar-Schein.
    Wenn der Ausweis irgendeinen Makel aufgewiesen hätte, Pete hätte ihn gefunden. Er betrachtete die Karte mit den Augen eines Experten. Er überprüfte alles von der Textur des Fotos bis zu den Rändern der Plastikversiegelung.
    Er gab mir den Ausweis zurück und fragte: »Wie viel?«
    »Tausend Dollar für eine Information, die ich weiterverfolgen kann.«
    »Tausend Dollar«, flüsterte Lonnie.
    »Zeigen Sie das Geld.«
    »Lassen Sie uns erst hören, was Ihr Freund zu sagen hat.«
    »Okay«, sagte Pete. »Kommen Sie mit nach oben, und wir besprechen die Sache bei einem Bier.«
    »Ich würde lieber einen Spaziergang zu dem Restaurant an der Ecke machen.«
    »Haben Sie Angst?«, fragte Pete mich mit einem triumphierenden Grinsen.
    »Ich betrete nie die Wohnräume eines Mannes, der mich bedroht hat.«
    »Woher weiß ich, dass Sie bezahlen, wenn ich Lonnie mit Ihnen reden lasse?«
    »Sie kennen meinen Namen und die Adresse meines Büros. Ich bin nicht so dumm zu versuchen, ein Haus voller Exknackis zu betrügen.«
    Ein paar Sekunden lang standen wir drei unschlüssig herum. Im Prinzip war alles entschieden, wir brauchten nur einen Moment, bis diese Entscheidung sich gesetzt hatte.

33
    Das Cisco Kid Café war ein heruntergekommenes Bar-Restaurant mit Postern von alten Western an den

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