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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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für Schritt. Wenn man das nicht tut, gilt man entweder als faul oder als inkompetent. Vor allem amerikanische Männer, aber auch immer mehr Frauen glauben offenbar, dass das Leben eine Mission ist. So gehen sie Sport, Krieg, Sex und sogar die Liebe an. Wenn einem anderen der Kredit platzt oder sie einen Verkehrsunfall sehen, denken sie: Irgendjemand ist vom rechten Weg abgekommen.
    Jahre in Waisenhäusern und Pflegefamilien, Jahre mit ungebildeten Lehrern und korrupten Beamten, von Schülerlotsen bis zu den Präsidenten ganzer Nationen haben mir gezeigt, dass Einstein recht hatte. Die Verbindung von A nach B ist bestenfalls zweifelhaft, und so etwas wie eine gerade Linie gibt es nicht.
     
    Von einem Bekannten im Grundbuchamt erfuhr ich, dass das Gebäude, in dem Angelique wohnte, im Besitz einer Firma namens Plenty Realty war, deren Büro sich in der Hudson Street im West Village befand. Es war nur ein Raum im vierten Stock eines Hauses ein paar Blocks südlich der Christopher Street.
    Dort rief ich an und bat, den Eigentümer zu sprechen, einen gewissen Mr. Jeffrey Planter.
    »Der alte Mr. Planter ist tot«, informierte mich die junge Frau am anderen Ende ausdruckslos, »und Jeff Junior verbringt den Winter in Florida.«
    »Es ist noch nicht Winter«, erwiderte ich eher in Reaktion auf ihren Tonfall als auf die Worte an sich.
    »Ist das dann alles?«
    »Gibt es irgendjemanden, der die Geschäfte führt?«
    »Mr. Nichols.«
    »Dürfte ich ihn sprechen, bitte?«
    »Er ist nicht da. Außerdem ist er alt. Sein Hörgerät spielt ständig verrückt, wenn er sich den Telefonhörer ans Ohr hält.«
    »Wann kommt er zurück?«
    »Ich weiß nicht genau. Er zeigt gerade jemandem eine Wohnung.«
    »Wird er bis zwölf zurück sein?«
    »Da habe ich Mittagspause.«
    »Ich komme ja auch nicht, um Sie zu sehen.«
    Die namenlose Sekretärin legte auf. Ich konnte es ihr nicht verdenken.
     
    Um zehn nach zwölf war ich bei Plenty Realty. Die Tür im vierten Stock war nicht abgeschlossen, also trat ich ein, ohne anzuklopfen.
    Es war ein kleines Büro mit drei Schreibtischen, die in einer Reihe an der gegenüberliegenden Wand standen. Nur der mittlere Tisch war besetzt. Ein älterer weißer Mann mit grauen Haaren stand auf, als ich hereinkam. Er war kaum größer, aber sehr viel dünner als ich. Er trug einen weiten dunkelgrünen Anzug und ein rotweiß kariertes Hemd sowie eine Brille aus mattem Stahl mit dicken Gläsern.
    »Wie kann ich Ihnen helfen, Mr. Trotter?«, fragte er, nachdem ich mich als Privatdetektiv vorgestellt hatte, der im Auftrag von Nyla Winetraub tätig war. »Das hat doch nichts mit dem Durcheinander zu tun, weil wir dachten, sie sei nach Florida gezogen, oder?«
    »Nein.«
    »Da sind wir den uns vorliegenden Informationen gefolgt«, plapperte er ungeachtet meiner Versicherung weiter. »Wir haben in gutem Glauben gehandelt.«
    »Sie wissen, dass Miss Winetraub praktisch blind ist.«
    »Ja«, sagte Mr. Nichols und lächelte. Ich fragte mich, worüber. War er froh, dass er zumindest etwas über seine Mieter wusste? Oder war er erleichtert, dass er, selbst beinahe so alt wie Nyla, immer noch einigermaßen sehen konnte?
    »Nun«, sagte ich. »Miss Lear, die Nachbarin aus dem Stockwerk über ihr, kümmert sich um Nylas Korrespondenz und andere Kleinigkeiten, aber Miss Lear ist seit einer Woche verschwunden. Deshalb macht Nyla sich Sorgen um ihre Freundin und auch um sich selbst.«
    »Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen kann, Mr. Trotter. Ich meine, ich habe Miss Lear seit drei Jahren nicht gesehen, seit der Unterzeichnung des Mietvertrags.«
    »Ich habe versucht, mit Ihrem Hausmeister zu sprechen, einem Mr. Klott …«
    Bei der Erwähnung des Namens verzog Nichols das Gesicht.
    »… aber er wollte mir nichts sagen.«
    »Klott ist ein Griesgram, wie er im Buche steht«, erklärte mir Nichols. »Aber ich verstehe immer noch nicht, inwiefern das unser Büro betrifft.«
    »Ich habe mich gefragt, ob Miss Lear vielleicht den Mietvertrag gekündigt hat und umgezogen ist oder ob ihr gekündigt wurde.«
    »O nein. Keineswegs. Die Miete für die Wohnung istohnehin schon niedrig, und sie zahlt auch nicht den vollen Betrag.«
    »Nicht? Das heißt, der Vermieter unterstützt sie?«, fragte ich. »Vielleicht ist sie bei ihm in Florida.«
    »Woher wissen Sie …?« Nichols fuchtelte mit den Händen, faltete sie dann und grinste. »Wohl kaum. Und Sie sollten auch nicht versuchen, ihn anzurufen. Er wäre sehr wütend, wenn er

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