Falscher Ort, falsche Zeit
Fußfesseln waren mit dicken Ledergürteln an einem Metallband befestigt, das ihm um die Hüfte gelegt war.
»Machen Sie ihn los«, sagte ich zu dem dunkelhäutigen Marshall, der vermutlich südamerikanischer Abstammung war.
Er sah seinen weißen Partner an, erhielt ein Nicken zur Antwort und öffnete die vier Schlösser, die den blassen Häftling in Schranken hielten.
»Zwanzig Minuten«, sagte der weiße Beamte.
»Mr. …«, setzte Ron an, doch ich legte einen Finger auf die Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Ich stand auf, schob den Tisch an eine Wand und stellte die Stühle so auf, dass wir nebeneinander saßen, jedoch auf gegenüberliegende Wände blickten.
Ich setzte mich und bedeutete ihm, neben mir Platz zu nehmen. »Der Raum ist garantiert verwanzt«, flüsterte ich. »Also müssen wir flüstern.«
Sein Körpergeruch störte mich nicht allzu sehr – vor allem deswegen, weil sein Atem stank wie eine Reihe von Mülltonnen hinter dem schmierigsten Imbiss der Stadt.
»Das verstehe ich nicht, Mr. Tunes. Man hat mir gesagt, ich hätte Besuch von einem Macklil oder so.«
»Das ist bloß ein Name, den ich benutze, um die zu verwirren«, sagte ich.
»Oh. Oh, ja.«
»Sie stecken in der Klemme, Ron. Man wird Sie hierbehalten, bis Ihnen die Zähne ausfallen, wenn Sie keine Antworten liefern.«
»Die bringen mich um, wenn ich rede.«
»Meinen Sie nicht, dass die das sowieso tun? Die wissen, dass man Sie festgenommen hat. Außerdem wissen die, dass Sie an der Nadel hängen. Nie im Leben verlassen die sich darauf, dass Sie dichthalten.«
»Aber die müssen mir glauben«, jammerte Ron. »Ich hab kein Wort zu niemandem gesagt.«
Eine der hervorstechenden Eigenschaften von vielen Berufsverbrechern ist ihre angeborene Naivität. Ihr Weltbild ist häufig schlicht und gründet sich auf einer simplen Gleichung bezüglich Ehrlichkeit und Verrat. Ron war dem Boss gegenüber loyal geblieben und erwartete nun umgekehrt das Gleiche von ihm. Die einzige Möglichkeit, diese Logik zu durchbrechen, war die Einführung einer neuen Variablen.
»Ich habe Irma gefunden«, log ich ihm ins Ohr.
Er stand auf und fragte: »Wo ist sie?«
»Still«, befahl ich und zog ihn am Hemdzipfel wieder nach unten.
»Wo ist sie?«, flüsterte er.
»Ich bringe Sie zu ihr, aber zuerst müssen wir Sie hier rausholen.«
»Bringen Sie sie her.«
»Ich arbeite nicht für Sie, Ron. Ich arbeite für Lewis, und der will, warum auch immer, dass Sie hier rauskommen. Das kann ich nur erreichen, wenn wir den Bullen jemanden nennen, den sie für die Waffen zur Rechenschaft ziehen können, die man im Kofferraum des Wagens gefunden hat, den Sie gefahren haben.«
»Ich kann nicht«, jammerte er.
Jetzt stand ich auf.
Es war keine leere Geste. Ich hatte die Nase voll von Ron und seiner Rückfälligkeit. Ich hatte einen Job zu erledigen, aber wenn der Kunde nicht wollte, musste ich eben meine Verluste abschreiben. Ich hatte versucht, mein Opfer zu retten, aber mehr, als es zu versuchen, kann man manchmal nicht tun.
Ron packte meine Hand.
»Nein«, flehte er.
»Ich brauche einen Namen«, sagte ich und setzte mich wieder.
»Ich weiß nicht, wem der Wagen gehört hat«, sagte er. »Ich hab nur einen, einen Brief gekriegt.«
»Mit der Post?«
»Nein, jemand hat einen Umschlag mit dreihundert Dollar und zwei Schlüsseln unter Wilmas Tür durchgeschoben – einen für die Tür und einen Zündschlüssel. Außerdem war da noch eine Nachricht, dass ich einen gelben Chevy abholen sollte, der gegenüber von meinem Haus stehen würde. Ich sollte ihn in ein Parkhaus in Queens bringen und dort abstellen.«
»Wo genau?«
»Ich weiß nicht mehr. Es war in der Astoria Street … Pixie Parking. Ja, ja … Pixie Parking.«
»Was stand noch in dem Brief?«
»Dass ich einen weiteren Umschlag mit dreihundert Dollar bekomme, wenn ich tun würde, was man von mir verlangt. Ich musste den Job machen, weil ich mit dem Geld, das sie mir gegeben hatten, schon ein paar alte Schulden bezahlt hatte. Verstehen Sie?«, sagte er. »Ich weiß wirklich von nichts.«
»Wenn Sie nichts wissen, warum haben Sie dann solche Angst, es dem FBI zu erzählen?«
Sharkey lehnte sich kurz von mir weg, aber ich packte ihn und zog ihn zurück.
»Ich hab Wilma gefragt, ob sie gesehen hat, wer den Brief gebracht hat, und sie wirkte verängstigt«, sagte er. »Ich kenne diesen Ausdruck, also hab ich nachgebohrt. Sie sagte, direkt nachdem sie den Brief gefunden hatte, hätte sie Joe
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