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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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mitteilen sollte, als sie gefragt haben. Sonst verwirrt man sie, und dann werden sie wütend.
    »Sie stehen nicht auf der Besucherliste«, erklärte mir der Korinthenkacker.
    »Lewis hat gesagt, er hätte angerufen.«
    »Auf den Anruf muss noch ein Fax folgen.«
    »Wollen Sie mir sagen, er hat das Fax nicht geschickt?«
    »Wir überprüfen das Gerät alle drei Stunden.«
    »Das heißt, ich muss so lange warten, bis jemand nachguckt?«
    »Bis dahin ist die Besuchszeit beendet.«
    »Und was wollen Sie mir damit sagen?«
    »So ist das vorschriftsmäßige Verfahren«, sagte Galsworthy, als ob ich ein Hund wäre, der versucht, die wahren Absichten des Mannes zu verstehen, der sich sein Herr nennt.
    »Thomas«, meldete sich eine andere Stimme zu Wort.
    Hinter dem Metallgitter kam ein breiter Mann in einem grauen Anzug mit offenem Jackett und herunterhängender Wampe ins Blickfeld, offensichtlich ein Polizeibeamter. Ich konnte nur hoffen, dass er mehr zu sagen hatte als mein gebückter Inquisitor.
    »Ja?«, sagte Galsworthy zu dem Neuankömmling.
    »Lassen Sie Mr. McGill herein.«
    »Wir haben das Fax noch nicht erhalten.«
    Der leicht ramponiert aussehende Mann zog einen Schlüssel aus der Tasche und ging zu der Tür, die uns trennte.
    »Ich muss erst die Formulare fertig machen, bevor Sie ihn hereinlassen dürfen«, beschwerte Galsworthy sich.
    »Machen Sie das, Tom. Mr. McGill und ich sind in meinem Büro.«
    Während er sprach, schloss der Bulle, was für ein Bulle er auch sein mochte, die Tür auf und öffnete sie nach innen.
    »Halt!«, rief Galsworthy.
    An den Schreibtischen in dem Büro hinter den beiden Männern schnellten Köpfe nach oben. Zwei bewaffnete Bundesbeamte kamen, die Hand auf dem Holster, durch die Tür.
    Ich trat über die Schwelle, während der pummelige Bulle sich den Wachmännern zuwandte und die Hand hob.
    »Kein Problem«, sagte er zu jedem außer Thomas Galsworthy. »Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit über die Zuständigkeit.«
    Die beiden Wachmänner gingen seufzend zurück in ihr Büro. Die Köpfe wurden wieder gesenkt, und der Bulle bot mir zu Begrüßung die Hand an.
    »Jake Plumb«, sagte er. »Ich bin für Sharkeys Fall zuständig. Achten Sie nicht auf Tom. Sein Job ist es, dafür zu sorgen, dass niemand seine Mandanten oder Verwandten besuchen kann. Die arme Frau und ihre drei Kinder lässt er jetzt schon seit drei Wochen da draußen warten. Dabei ist ihr Mann gar nicht mehr hier, aber die Vorschriften besagen, dass wir ihr nicht mitteilen dürfen, dass er in ein Abschiebegefängnis in Miami verlegt wurde. Hab ich nicht recht, Tom?«
    Galsworthy schnaubte wortlos.
    »Was sind Sie von Beruf, Mr. McGill?«, fragte Plumb.
    Er war knapp zehn Zentimeter größer als ich, wirkte wegen seiner Wampe jedoch ein wenig kleiner.
    »Privatdetektiv«, sagte ich. »Wie Sie offenbar bereits wissen, bin ich hier, um Ron Sharkey zu sehen.«
    »Kommen Sie mit in mein kleines Büro, Mr. Privatdetektiv. Ich würde mich gern mit Ihnen unterhalten, bevor Sie den Junkie treffen.«
    Thomas Galsworthy bedachte mich mit einem Blick, den er vermutlich für böse hielt. Aber er blieb stumm, vermutlich gedemütigt von der Art und Weise, wie Jake in seinem Büro die Macht an sich gerissen hatte. Der fette Bundespolizist ging auf eine weitere Gittertür zu, die er mit einem Schlüssel öffnete, um mich in einen dunkleren, bedrohlicheren Teil des Sondergefängnisses zu führen. Wir kamen durch drei weitere verschlossene Türen, ehe wir einen langen Gang erreichten, der von drei Mal drei Mal drei Meter großen Käfigen gesäumt war, in denen Männer für Tage, Wochen, Monate und manchmal sogar Jahre eingesperrt wurden; die Gefangenen waren schwarz oder braun, dazu ein paar Asiaten und vereinzelt auch Weiße.
    Sie hockten schweigend und größtenteils bewegungslos in ihren Zellen. Sie waren von einem System besiegt worden, das so riesig und teilnahmslos war, dass man dagegen nur mit Selbstmord ankam. Der Flur roch heftig nach abgestandener Männlichkeit, nach dem langen Leiden von Schuldigen, Unschuldigen und solchen, die einfach nirgendwohin passten.
    Ich folgte Jake Plumb und starrte in die Käfige. Einige der Männer starrten aus rot geränderten und braungeäderten Augen zurück, nicht hoffnungsvoll, sondern nur um der flüchtigen Ablenkung von ihrer tödlichen Monotonie willen. Wahnsinn und Krebs, Blutvergießen und Revolution wucherten in solchen Räumen wie Schwamm. Ich spürte den Geist meines Vaters, der die

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