Falsches Blut
zuwarf. Mack erwiderte den Blick achselzuckend. » Was denn? « , fragte er. Inzwischen konnte ich nachvollziehen, wieso er ganz allein an einem Tisch saß. Ich räusperte mich. » Also, könnten wir uns jetzt mit meinem Problem befassen? «
» Das kommt darauf an, ob Sie sich mit meinem Problem befasst haben « , gab Mack zurück.
» Noch nicht, aber ich werde es so bald wie möglich tun. Sie haben mein Wort. «
Mack lehnte sich zurück und verschränkte die Finger hinter dem Kopf. » Meine Zeit ist knapp bemessen. Sie hatten zugesagt, dass Sie um zehn hier sein würden. Und wie spät ist es jetzt? Halb elf? Ich bin nicht sicher, ob ich mit jemandem zusammenarbeiten kann, der mich so hängen lässt. «
» Was wollen Sie noch, Mack? «
Er zwinkerte und lächelte mich an. » Kennen Sie zufällig jemanden in Goshen? Das Elkart County hat einen Haftbefehl für Aleksandra ausgestellt, und ich will, dass sich jemand darum kümmert. «
Goshen war ein Kaff im Norden Indianas. Ich wusste, dass es dort ein Mennoniten-College und eine Fabrik für Wohnmobile gab, mehr aber nicht.
» Hat sie ein paar Amish People verprügelt oder was? « , fragte ich.
» So in etwa « , antwortete er. » Sie hat Amish-Möbel für unser Ferienhaus am Lake Michigan gekauft. Na ja, der Bezirkssheriff hat sie betrunken am Steuer erwischt. Als sie nicht zum Gerichtstermin erschienen ist, hat der Richter einen Haftbefehl ausgestellt. «
» Wieso ist sie nicht zum Gerichtstermin erschienen? « , hakte ich nach.
Mack runzelte die Stirn und sah mich an, als wäre ich ein Vollidiot. » Goshen liegt drei Autostunden von hier. Ich kriege die Frau ja noch nicht mal dazu, so lange stillzuhalten, dass wir eine schnelle Nummer zwischendurch schieben können, Partner. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass sie nur wegen eines Gerichtstermins den ganzen Weg in dieses Kaff fährt. «
Ich schloss die Augen und durchforstete mein Gehirn nach anderen Rechtsmedizinern in der Gegend, die mir helfen könnten. Leider fiel mir kein einziger ein.
» Okay. « Ich nickte und schlug die Augen wieder auf. » Ich werde sehen, ob ich den Officer, der sie verhaftet hat, dazu bringen kann, die Anklage fallen zu lassen. «
» Sehr gut. Dafür hat man schließlich Freunde. Aber jetzt lassen Sie uns verschwinden. Diese ganzen Kinder hier machen mir echt Angst. «
Ich ging davon aus, dass das ein Scherz gewesen war, beschwören konnte ich es allerdings nicht. Mack hatte einen etwas schrägen Humor. Bestimmt mochte er Kinder. Zumindest zeugte er gern welche– er hatte zwei; zumindest zwei Kinder, von denen er wusste.
Ich folgte ihm zu den Personalaufzügen. Er zog seinen Angestelltenausweis durch den Schlitz und erklärte währenddessen einem Knirps, er solle bloß nicht seine Popel essen, weil ihm sonst Tomatenpflanzen im Bauch wüchsen. Der Kleine riss daraufhin sofort den Finger aus der Nase. Zum Glück glitten die Aufzugtüren auf, bevor Mack weitere medizinische Absurditäten von sich geben konnte.
Obwohl sich das Pathologielabor lediglich ein Stockwerk unter dem Eingangsbereich befand, war es, als betrete man eine völlig andere Welt. Die Wände bestanden aus weiß gestrichenem Betonziegel, und die summende Deckenbeleuchtung tauchte die Flure in künstliches, bläulich weißes Licht. Ich bekam eine Gänsehaut auf den Armen. Wenn Mack hier arbeitete, war das Labor unter Garantie auf dem neuesten Stand der Technik– trotzdem hatten die Räume nicht die geringste Ähnlichkeit mit den forensischen Laboren, wie man sie aus dem Fernsehen kannte– keine hellen Lichter oder attraktive Frauen mit wallenden Mähnen. Das eindrucksvollste Gerät war ein Mikroskop neben einem Computer in der Ecke. Mack trat vor die Arbeitsfläche in der Mitte des Raums und schob ein Tablett mit Proben zur Seite, um Platz zu schaffen.
» Also, dann erzählen Sie mir noch mal ganz genau, was ich untersuchen soll « , sagte er und wusch sich an einem Waschbecken an der Wand die Hände. Ich nahm den Deckel von dem Styroporbehälter und stellte ihn hin.
» Diese Glasröhrchen habe ich an einem Tatort sichergestellt. Und jetzt will ich herausfinden, ob der Kokaingehalt in der Flüssigkeit hoch genug ist, um einen Menschen zu töten. «
Mack trocknete sich die Hände an seinem Kittel ab und musterte die Röhrchen mit zusammengekniffenen Augen, ehe er mich wieder ansah. Er zog eine Brille aus seiner Kitteltasche, setzte sie auf und nahm eines der Röhrchen heraus. Bisher hatte ich weder das
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