Falsches Blut
Arbeitsfläche zurück. Die Flüssigkeit in dem Röhrchen hatte sich inzwischen zweigeteilt– die obere Hälfte war klar, wohingegen die Masse am Boden erneut eine leuchtend blaue Farbe aufwies.
» Es ist ein Junge « , verkündete er. Als ich nicht lachte, zeigte er auf das Röhrchen. » Sie verstehen schon… wegen der blauen Farbe. « Er hielt inne und lächelte dünn. » Es ist wohl noch ein bisschen zu früh, was? «
Ich warf ihm einen finsteren Blick zu. Mack gab das Röhrchen in ein Drahtgestell und streifte seine Handschuhe ab. » Kokain würde sich in so vielen Lösungen nicht absetzen « , sagte er. » Ich vermute, Sie haben hier fünf Röhrchen agua rica. «
Ich hatte auf dem College Philosophie als Hauptfach belegt und im Zuge dessen vier Semester lang eine Fremdsprache lernen müssen. Ich hatte mich für Spanisch entschieden. Ich brauchte es zwar nur selten, aber an ein paar Vokabeln erinnerte ich mich noch.
» Reiches Wasser? « , fragte ich.
» Genau. So nennen es die Bauern. Agua rica ist eines der Stadien bei der Herstellung von Kokain aus Coca-Blättern. Lust auf einen kleinen Crash-Kurs? «
» Klar. «
Er kehrte zu dem Schrank zurück. » Koks lässt sich eigentlich sehr leicht extrahieren « , sagte er und warf mir einen Blick über die Schulter zu. » Die Bauern ernten etwa eine Tonne Blätter des Cocastrauchs und weichen sie in einer Wanne oder einem anderen großen Behälter mit Karbonatsalzen und Wasser ein. Danach geben sie irgendein Lösungsmittel wie Kerosin, Benzin oder Batteriesäure dazu und rühren das Ganze einmal gut durch. «
Mack hielt inne und nahm einige Dinge aus dem Schrank. Schließlich kehrte er mit einem Metalltablett mit einer Plastikflasche, einigen Teelöffeln mit einem lila Pulver und mehreren Bechern zurück und stellte alles neben die Teströhrchen. » Wenn das Kokain extrahiert ist, pumpt der Bauer das Lösungsmittel ab und filtert die Flüssigkeit, um Blätter und Schmutz herauszubekommen. Dann gibt er stark verdünnte Schwefelsäure dazu, die das Kokain in Kokainsulfat umwandelt. Danach pumpt er das Lösungsmittel für den späteren Gebrauch wieder ab. Die übrige verdünnte Schwefelsäure mit dem Kokain darin wird als agua rica bezeichnet. Und soweit ich sehe, ist genau das in diesen Röhrchen. «
Mack nahm eines der Röhrchen, die ich mitgebracht hatte, in die Hand und kippte den Inhalt in einen der Becher auf dem Tablett. Ich sah ihm mit gerunzelter Stirn zu. » Woher kommt es, dass Sie so viel über Kokain wissen? «
» Ich habe früher einmal für Ärzte ohne Grenzen gearbeitet. Lange Geschichte. Die Kurzversion ist, dass ich vor ein paar Jahren mit einer Schwester, die ich unbedingt flachlegen wollte, nach Südamerika gegangen bin. Dort habe ich ein paar Kinder wieder zusammengeflickt und die Schwester bei der erstbesten Gelegenheit in die Kiste gezerrt. Am letzten Tag kam der Vater eines Patienten und fragte, ob wir etwas sehen wollten, was Touristen normalerweise nicht zu sehen bekämen. Ich nahm an, dass er uns zu irgendwelchen Maya-Ruinen schleppen würde, stattdessen brachte er uns aber zu seiner Coca-Farm. Gleich daneben war ein Labor, so dass wir uns die gesamte Operation von der Ernte bis zur Herstellung von Basis-Koks ansehen konnten. «
» Sie sind ja ein echter Wohltäter « , bemerkte ich und kratzte mich am Kopf. » Und wieso riecht das Zeug nach Eukalyptus? «
Mack zuckte die Achseln. » Wahrscheinlich wurde es mit Eukalyptusöl versetzt, um den Geruch zu kaschieren. Ich mache das mit Aceton auch immer, sonst stinkt es hier unten wie in einem Nagelstudio. «
Ich versuchte, mir einen Reim auf all das zu machen, was ich in den letzten Minuten erfahren hatte.
» Also haben wir es hier mit flüssigem Kokain zu tun? «
» Schön wär’s « , meinte er und zog leise lachend das Tablett zu sich heran. » Außerdem sieht agua rica normalerweise nicht so aus. Meistens ist es gelblich oder bräunlich. Wie Bier oder Blutplasma. Irgendjemand hat das Zeug eingefärbt. «
Ich nickte.
» Und wie wird aus dem Zeug hier das, was man auf der Straße kaufen kann? «
» Man oxidiert es mit Kaliumpermanganat « , antwortete er und gab etwas von dem leuchtend lila Pulver in einen Becher mit einer klaren Flüssigkeit, ehe er den Inhalt zu dem agua rica kippte. Am Becherboden bildete sich ein bräunlich schwarzer Klumpen, über dem eine klare Flüssigkeit schwamm. » Danach filtert man die Flüssigkeit und wirft das weg, was übrig bleibt. «
Mack
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