Falsches Blut
müssen.
Danach ging ich in die Küche und holte eine Dose Limonade aus dem Kühlschrank, mit der ich meine Stirn kühlte. Allem Anschein nach hatte Azrael meine Nachricht vom Vorabend erhalten und mir eine Erwiderung geschickt. Er mochte es auf einen Kampf anlegen, ich hingegen nicht. Stattdessen musste ich mir dringend eine neue Strategie überlegen. Ich kippte die Limo hinunter und warf die Dose in den Müll, dann ging ich hinaus zu meinem Wagen.
Ich ließ den Motor an, zog mein Notizbuch heraus und blätterte darin. Wenn die Auszüge aus dem Handelsregister stimmten, hatte ich Karen Reas Privatadresse und die Geschäftsanschrift von Sunshine Blood Products. Sie und Azrael schienen eine ganze Menge über mich zu wissen. Höchste Zeit, dass ich meine Hausaufgaben machte und ein bisschen mehr über sie in Erfahrung brachte. Laut meinen Aufzeichnungen lebte Karen in Fischers, einem wohlhabenden Viertel im Nordosten der Stadt. Ich gab die Adresse in mein Navigationsgerät ein, das die Fahrtzeit mit fünfundzwanzig Minuten und 14.30 Uhr als Ankunftszeit berechnete. Damit würde ich mehr als genug Zeit für meine Erkundungen haben, bevor die Leute von der Arbeit nach Hause kamen.
Ich schob den Automatikhebel vor und fuhr los.
Karens Wohnviertel war typisch für die Gegend. Häuser mit drei- bis vierhundert Quadratmetern Wohnfläche und Gärten von der Größe eines Baseballfelds, und das alles, ohne protzig oder angeberisch zu wirken. In diesen bewachten Wohnanlagen lebten wohlhabende Leute, die einfach nur fernab des korrupten Innenstadt-Sumpfs in Ruhe ihre Kinder großziehen wollten. Leider war das Viertel von einem hohen schmiedeeisernen Zaun umgeben, und vor der einzigen Zufahrt stand ein Häuschen mit einem Wachmann. Das machte die Dinge ein wenig komplizierter.
Ich hielt vor dem Wachhäuschen und ließ das Fenster herunter. Ein Typ Anfang dreißig mit bulligem Nacken und entsprechend eng sitzendem grauem Uniformkragen trat heraus. Soweit ich sehen konnte, war er unbewaffnet, allerdings hing ein Funkgerät an seinem Gürtel. Er beugte sich vor, so dass ich sein Namensschild erkennen konnte. John A.
» Kann ich Ihnen helfen, Sir? «
Ich verlagerte das Gewicht auf dem Sitz, um meine Dienstmarke zu zücken, woraufhin er den rechten Fuß nach hinten stellte, während seine Hand an den Gürtel schnellte, als wollte er eine Waffe ziehen. Ich erkannte sein Bewegungsmuster, diese Mischung aus Präzision und Routine, auf Anhieb: Auf der Polizeischule trainierten die Kadetten, ihre Waffe zu verteidigen– genau so.
» Nur die Ruhe « , sagte ich. » Ich wollte Ihnen meine Dienstmarke zeigen, mehr nicht. «
John nickte, behielt seine rechte Hüfte aber trotzdem leicht abgewandt. Ich hielt ihm meine Dienstmarke vor die Nase. Augenblicklich schien er sich zu entspannen und beugte sich wieder vor. » Also, was kann ich für Sie tun, Sir? «
» Ich möchte zu einem der Anwohner. Karen Rea. Sie wohnt in der Oakwood Street. «
» Werden Sie von Dr. Rea erwartet? «
Doktor Rea?
» Ich hoffe nicht. Und es wäre mir auch lieber, wenn das so bliebe. «
John schüttelte den Kopf. » Ohne einen Durchsuchungsbeschluss darf ich Sie ohne Dr. Reas Erlaubnis leider nicht hereinlassen « , sagte er. » Das ist Vorschrift. «
» Natürlich respektiere ich Ihre Vorschriften, aber ich muss unbedingt hinein. Dr. Rea versucht schon eine ganze Woche, sich der Zustellung einer Vorladung zu entziehen. Wenn sie erfährt, dass ich zu ihr will, ist sie längst über alle Berge, bis ich dort bin. Ich brauche bloß zehn Minuten. Rein, das Ding offiziell aushändigen und wieder hinaus. «
» Wofür kriegt sie denn eine Vorladung? «
» Sie wissen ganz genau, dass ich Ihnen das nicht sagen darf. Es ist wirklich wichtig. Hören Sie: Ich mache doch nur meine Arbeit. «
Johns Miene war keinen Deut freundlicher, als er die Hand hob und die Finger spreizte. » Fünf Minuten. Aber nur, weil ich dem IMPD einen Gefallen tue. Dann rufe ich Dr. Rea an. Sehen Sie also zu, dass Sie das Ding schnellstmöglich zugestellt bekommen. Die Oakwood ist die dritte Sackgasse auf der linken Seite. «
Fünf Minuten waren knapp, aber machbar. Ich bedankte mich und machte mich auf den Weg in die Oakwood Street. Ebenso wie die anderen Auffahrten in der Gegend bestand auch Karens Zufahrt aus einem gekiesten Weg. Ihr Rasen war ordentlich gestutzt und leuchtend grün– ein echter Luxus in Anbetracht der aktuellen Hitzewelle. Ich sah mich vorsichtig um– außer mir
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