Falsches Spiel mit Hannah
Die Nachricht kam von Hannes.
Hannah zögerte einen Moment lang, bevor sie die SMS öffnete. Wollte sie überhaupt wissen, was er ihr schrieb? Schaudernd dachte sie wieder daran, wie hingebungsvoll Hannes Myriam bei Alberto mit Eis gefüttert hatte. Mmmmh.
Aber dann siegte ihre Neugier.
Er hatte nur ein einziges Wort geschrieben. Eigentlich waren es nur zwei Buchstaben.
âHiâ, las Hannah.
Sie überlegte, wie sie reagieren sollte. Die SMS löschen und so tun, als ob sie sie nie bekommen hätte? Oder antworten? Einfach ignorieren war bestimmt das Beste.
Aber andererseits. Sie fühlte sich so einsam. Und sie konnte nicht einschlafen. Und Hannes hatte so viel Erfahrung mit Westernturnieren. Vielleicht konnte er ihr sogar einen guten Rat geben.
Hannah tastete wieder nach ihrem Telefon.
âHiâ, schrieb sie zurück.
Es dauerte keine Minute, bis ihr Handy von Neuem piepste. Hektisch stellte sie den Empfang auf stumm. Fehlte ja gerade noch, dass ihre Mutter auf sie aufmerksam wurde.
âWie gehtâs?â, fragte Hannes.
âDankeâ, schrieb Hannah. âSchlecht. Und selbst?â
âGleichfallsâ, lautete die Antwort. Meine Güte, war der Typ einsilbig.
âNa, dann gute Nachtâ, simste Hannah.
âWie läuft denn dein Training?â, fragte Hannes, ohne auf ihre letzte Nachricht einzugehen.
âKatastrophe. Slalom geht nicht. Die Hütchen sind so eng.â
âWie eng?â, schrieb Hannes zurück.
â40Â cmâ, tippte Hannah.
Sie hatte die SMS kaum gesendet, als ihr Handy zu vibrieren begann. âHannes ruft anâ, verkündete das Display.
âEin halber Meter ist das Minimumâ, sagte er anstelle einer BegrüÃung.
âBitte was?â
âEin halber Meter ist der kleinste Abstand zwischen den Pylonen, der bei Turnieren in der Jugendklasse zugelassen ist.â
âDas war vielleicht zu deiner Zeit so. In Aachen sind vierzig Zentimeter vorgegeben.â
âDas kann ich mir nicht vorstellen.â
Hannah merkte, wie sie wütend wurde. âWas soll das denn heiÃen? Ich hab das Pattern doch gesehen. Vierzig Zentimeter.â
âDas schafft kein normales Westernpferd. Ein Pony vielleicht, aber ein Quarterhorse? Glaub ich nicht.â
âAcapulco schafft es ja auch nicht. Ach, ist ja egal. Ich weià gar nicht, warum ich dir das alles überhaupt erzähle. Du kannst mir doch auch nicht helfen.â
âWoher willst du das wissen?â Jetzt klang Hannes gekränkt. âIch könnte mir das morgen mal ansehen.â
âWas?â
âNa, das Pattern und wie du das Ganze so machst.â
Hannah zuckte mit den Schultern, was Hannes natürlich nicht sehen konnte. âWarum nicht?â, meinte sie dann. âWenn du willst, können wir direkt nach der Schule auf die Ranch fahren.â
âGerne. Aber jetzt solltest du schlafen.â
Hannah lachte. âDu bist doch auch noch wach!â
âIch reite am Sonntag aber kein Turnier.â
âIch vielleicht auch nicht.â
âBitte was?â
Hannah schluckte. âIch pack das nicht, Hannes. Sue und Uwe und dein Vater und die anderen, die erwarten doch alle von mir, dass ich gewinne. Aber heute beim Training hab ich völlig versagt. Ich hab totale Anfängerfehler gemacht, das kannst du dir überhaupt nicht vorstellen â¦â
âDochâ, sagte Hannes ruhig. âIch weià genau, wie du dich fühlst.â
âAch. Echt?â, fragte Hannah schnippisch.
âJa, echt. Weil es mir früher nämlich ganz genauso ging. Vor dem Turnier war ich jedes Mal überzeugt, dass ich alles vermasseln würde. Dann hab ich es doch irgendwie geschafft, jedenfalls meistens. Aber dieses Gefühl vorher, das war einfach ⦠schrecklich.â
Ein paar Sekunden lang schwiegen sie beide.
âIch versprech dir eines, Hannesâ, sagte Hannah ernst. âEgal wie die Sache am Sonntag ausgeht â¦â
Sie machte eine kleine Pause und wartete darauf, dass Hannes etwas sagte, aber er schwieg weiter.
âEgal, wie die Sache am Sonntag ausgeht: Das wird mein erstes und letztes Turnier.â
Hannes schwieg immer noch.
âBist du noch dran?â, fragte Hannah.
âKlar.â Hannes räusperte sich. âDas wär schön, Hannahâ, meinte er dann. âWenn du am Sonntag gewinnst und danach trotzdem aufhörst, das wäre einfach
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