Falsches Spiel
etwas vorgefallen. Ich war nicht zu Hause, aber ich weiß, dass Carla lange bei Señora Carter war und dass sie einen hitzigen Streit mit Juan Carlos hatte, als sie nach Hause kam.« Tränen rannen ihr über die Wangen. »Er wollte nie mit mir darüber sprechen, was in der Nacht passiert ist. Ich habe es von Doña Felicitas erfahren, die im Nachbarhaus wohnt. Sie hat das Geschrei gehört. Carla hat Juan Carlos an den Kopf geworfen, er sei ein Scheißkerl, und was weiß ich noch alles, und er hat zu allem nichts gesagt, zumindest war nichts zu hören. Als ich gegen Mitternacht nach Hause kam, schlief Juan Carlos, unser Bett war völlig zerwühlt, und Carla war nicht in ihrem Zimmer. Sie hatte ihre Studienbücher mitgenommen, daher ging ich davon aus, dass sie bei einer Freundin lernt. Am nächsten Tag habe ich Juan Carlos gefragt, und er hat mich angelogen und behauptet, Carla sei am Morgen zur Uni gegangen. Was Carla zuletzt gemacht hat, weiß ich nur von ihm, denn ich selbst hatte sie zuletzt am Morgen des Vortags gesehen.«
»Und deshalb sind Sie zu Señora Carter gegangen. Sie wollten Sie fragen, worüber Carla mit ihr gesprochen hat, nicht?«
»Ja«, sagte sie leise. Sie weinte jetzt vernehmlich.
»Und was hat sie gesagt?«, hakte ich vorsichtig nach.
»Sie hat mir gar nicht zugehört. Sich nur in vage Andeutungen geflüchtet. Sie hat von irgendwelchen Marsmenschen erzählt, die bald auf der Erde landen, und von anderen Sachen, die mich nicht sonderlich interessierten. Kein Wort über Carla.«
Sandras Gesicht war aufgedunsen von Tränen und Alkohol. Ich umarmte sie, um sie zu trösten. Sie ließ sich in meine Arme sinken. Auf einmal hob sie den Kopf und küsste mich auf die Wange. Ich war wie benebelt von dem Geruch nach Cognac und dem teuren, schweren Parfum. Ich drückte sie an mich, um ihre Brüste an meinem Körper zu spüren. Als ich meine Hand auf ihren Schenkel legte, wich sie zurück und verpasste mir eine Ohrfeige. Sie stand auf, strich sich die Kleider glatt, und nahm wieder Kurs auf die Hennessy-Flasche. Sie blieb davor stehen und starrte sie an.
Ich ging auf sie zu, drehte sie zu mir um, legte locker die Arme um sie und flüsterte ihr ins Ohr:
»Das hätte ich nicht tun dürfen. Es wird nicht mehr vorkommen.«
Meine Lippen streiften ihren Hals, dann machte ich mich auf den Weg. In der Tür drehte ich mich noch einmal um. Sandra stand immer noch am selben Fleck, die Arme hingen ihr seitlich herab. Ich vermochte nicht zu sagen, ob sie wütend oder erregt war.
»Danke und bis bald, Señora Forrester.«
Sie sah mich an, und ich zwinkerte ihr zu. Sie stand weiterhin reglos da. Doch sie hatte aufgehört zu weinen.
Als ich in den Gordini stieg, sagte ich mir, dass die Carter ihre Geheimnisse mit ins Grab genommen hatte. Und das passte mir überhaupt nicht in den Kram.
11
Die Fahrt nach Mercedes war der reinste Albtraum. Auf der Ruta 7 bis Paso del Rey ging es ganz gut, aber gleich hinter der verfallenen Brücke über den Río Reconquista fing es an, schwierig zu werden.
Die Straße war schmal, die Lastwagen nervten, außerdem liefen Leute am Rand der Fahrbahn entlang und gefährdeten nicht nur ihr Leben, sondern auch die Karosserie des Gordini, was für mich natürlich schlimmer war. Zur Krönung weideten nah an der Fahrbahn Pferde, Kühe und Schafe. Wenn einem dieser Tiere, der Fresserei überdrüssig, einfiel, auf die Fahrbahn zu rennen, hatte ich ein echtes Problem. Auf der Höhe von Luján verlor ich bei all den Kreuzungen und Brücken den Überblick. Ich kam bei der Basilika raus, aber mir war nun wirklich nicht danach, die Architektur zu bewundern. Nachdem ich mehrere Kirchgänger befragt hatte, wie ich wieder auf den Weg nach Mercedes käme, fand ich tatsächlich die Ruta 5 Richtung Mercedes. Doch die übrigen siebenunddreißig Kilometer zwischen Luján und Mercedes waren ebenfalls eine Qual.
Am Ortseingang von Mercedes hielt ich an einer Tankstelle. Ich fragte den alten Tankwart nach dem Haus mit der Nummer 8.
»Am besten gehen Sie zu Fuß, mein Freund. Es hat in den letzten Tagen viel geregnet, der Boden ist schlammig, und mit einem so tief liegenden Auto haben Sie keine Chance«, sagte er und deutete auf den Gordini.
»Ist es noch weit?«
Er wies auf ein Landhaus auf halber Höhe der unasphaltierten Straße etwa zweihundert Meter von der Ruta entfernt.
»Nein. Es ist gleich da vorn«, erwiderte er.
Ich dankte ihm, schlug seine Warnung in den Wind und stieg in den Gordini. Ich
Weitere Kostenlose Bücher