Falsches Spiel
hatte keine Lust, bis zu den Füßen im Schlamm zu versinken, obwohl ich wusste, dass es Wahnsinn war, mit dem Auto hineinzufahren. Egal, dachte ich, was hatte ich schon zu verlieren.
Ich nahm eine Spur, die mir weniger schlammig erschien, legte den zweiten Gang ein und pflügte mich durch das Erdreich, in leichter Schieflage. Dass ich keinen ersten Gang hatte, erschwerte das Ganze. Die Drehzahl stieg rasant, aber der Gordini in seiner ganzen Noblesse kam kaum vom Fleck. Die Steine und der Schlamm schlugen gegen den Unterboden und ich hatte das Gefühl, der Wagen würde jeden Moment stecken bleiben. Ungefähr einhundertfünfzig Meter ging es gut weiter, bis ich an eine Pfütze kam, die über die ganze Straße reichte. Der Himmel war bedeckt, und es war mehr als wahrscheinlich, dass es jeden Moment anfing zu regnen. Wenn es jetzt schüttete, würde ich hier nie mehr rauskommen. Ich stellte den Gordini auf einen Wiesenhügel und machte mich auf den Weg.
Die letzten fünfzig Meter bis zum Haus konnte ich dank einiger fester Erhebungen im Schlamm ohne weitere böse Überraschungen zurückzulegen. Es war fünf Uhr nachmittags, und die Sonne ging allmählich unter.
Am Zaun blieb ich kurz stehen, um zu sehen, ob sich im Haus etwas tat, dann klatschte ich ein paar Mal in die Hände. Keiner kam heraus. Absolute Stille. In der Ferne hörte man die vorbeifahrenden Autos. Ich wartete noch ein paar Minuten und nahm schließlich Haus und Umgebung in Augenschein, um abzuchecken, ob ich mich irgendwie hineinschleichen konnte. Am Ende beschloss ich zu warten, bis es dunkel war, um kein unnötiges Risiko einzugehen. In solchen Situationen empfand ich die Nacht immer als Verbündete, als könnte die Dunkelheit meine Anspannung vertreiben.
Ich entfernte mich, um keinen Verdacht zu erregen, und blieb an einem Stacheldrahtzaun stehen, hinter dem sich eine Schule oder Ähnliches befand. Ich rauchte still vor mich hin. Hunderte von Kindern jagten auf drei Fußballfeldern wie wild dem Ball hinterher. Am Rand standen ein paar Mädchen, die mit ramponierten Puppen spielten. Es schien sich eher um ein Heim oder eine Besserungsanstalt zu handeln, denn die Kinder waren lieblos gekleidet und sie spielten immer noch draußen, obwohl es schon nach fünf war.
Eine halbe Stunde später war es dunkel. Zwei Priester und zwei Aufseher in grauen Kitteln trieben lauthals die Kinder zusammen. »Es gibt Abendessen! Es gibt Abendessen!«, riefen sie den Drückebergern zu, die unbedingt weiterspielen wollten. Die Mädchen waren gehorsamer und stellten sich rasch am Rand auf.
Als ich mich zum Haus umwandte, erlebte ich eine Überraschung. Es brannte dezentes Licht. Der Plan, mich dort umzusehen, hatte sich erledigt. Ich ging wieder auf den Zaun zu und klatschte in die Hände. Jetzt hörte ich im Innern Stimmen raunen, doch auf mein Klatschen verstummten sie.
Ein kleiner, ungepflegter, potthässlicher Mann um die fünfundzwanzig kam auf mich zu. Seine Kleider waren verschmutzt, und mir fiel auf, dass er an allen Fingern Ringe trug.
»Wer sind Sie?«, fragte er energisch hinter dem Schein einer Taschenlampe.
»Ich komme von Señora Carter. Ich wollte mit dem Verantwortlichen des Hauses sprechen.«
»Wer sind Sie?«, fragte er und leuchtete mir direkt ins Gesicht.
»Ich suche José Luis«, sagte ich ins Blaue hinein und hielt mir die Hand vors Gesicht, um mich vor dem grellen Licht zu schützen. Am Zucken der Taschenlampe merkte ich, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.
»Was wollen Sie von ihm?«
»Ihm ein paar Fragen stellen.«
»Hier wohnt kein José Luis. Gute Nacht.« Er machte auf dem Absatz kehrt und wollte zurück zum Haus.
»Kommen Sie, José Luis, ich muss mit Ihnen über den Tod von Señora Carter sprechen«, sagte ich ruhig. Ich wollte ihn ein wenig unter Druck setzen.
Er blieb wie angewurzelt stehen, drehte sich um und kam wieder auf mich zu. Er zog einen Schlüssel aus der Hosentasche und öffnete das Tor.
»Señora Carter ist tot?«, fragte er perplex.
Ich beschloss, gleich ans Eingemachte zu gehen. Ich hatte ihn am Wickel und würde ihn nicht entkommen lassen.
»Sie wurde heute Nacht in ihrem Haus in San Antonio de Padua ermordet. Man hat ihr die Kehle durchgeschnitten.«
Er riss die Augen auf.
»Wer sind Sie?«, fragte er noch einmal, sehr leise.
»Ich bin Privatdetektiv. Ich versuche, etwas über Carlas Verschwinden herauszufinden. Dem Bericht meines Mandanten entnehme ich, dass Sie und Carla eng befreundet
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