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Falsches Spiel

Falsches Spiel

Titel: Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariano Hamilton
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den marmornen Beistelltisch und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. Dann stand ich auf und begab mich langsam zur Tür. Die Klinke schon in der Hand, drehte ich mich noch einmal um.
    »Es gibt bereits zwei Tote und vier Vermisste, Ihr Mann und zwei weitere Kunststudenten nicht mit eingerechnet. Ich rate Ihnen, wenn Sie etwas wissen, sagen Sie es. So wie’s aussieht, bin ich zurzeit der einzige Rettungsanker für Carla in stürmischer See.«
    »Gehen Sie!«, sagte sie und warf ihr Cognacglas nach mir.
    Ich konnte gerade noch schnell genug die Tür schließen. Während ich den Wagen anließ, warf ich noch mal einen Blick zum Haus und sah, dass Sandra mich durch das Fenster beobachtete. Sie weinte. Ich war kurz versucht kehrtzumachen, aber dann beschloss ich, sie ein Weilchen mit ihren Gespenstern allein zu lassen. Im Moment würde ich nichts aus ihr herausbekommen.

23
    Ich fuhr die Río Negro hinauf, bog rechts in die Noguera ein und hielt zwei Straßen weiter an. Dann stieg ich aus dem Auto und ging zu einer Bäckerei, die meiner Einschätzung nach an den Garten von Señora Carters Haus angrenzen musste.
    Ich betrat den Laden und ein hutzeliges, krummes altes Mütterchen lächelte mich an.
    »Guten Tag, Señor? Was darf’s sein?«, sagte sie gezwungen freundlich.
    »Señora, nehmen Sie’s mir bitte nicht übel, aber ich müsste dringend auf die Toilette«, erwiderte ich und hielt mir den Bauch.
    »Wie?«
    »Señora, bitte«, sagte ich und krümmte mich.
    Sie stutzte, aber mein Auftritt war überzeugend.
    »Ich weiß nicht … Bah … Was weiß ich … Bitte, Señor«, sagte sie und schaute dabei nach hinten auf der Suche nach jemandem, der sie aus der Bredouille holte.
    Sie führte mich nach hinten, wo drei Frauen und zwei Männer unermüdlich Teig kneteten. Sie sahen mich ausdruckslos an. Der Überdruss stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Das alte Mütterchen deutete auf eine Tür.
    »Dort ist die Toilette. Wenn Sie etwas brauchen, geben Sie uns Bescheid.«
    »Ich will Ihnen nur sagen, es kann länger dauern, mir ist speiübel.«
    Meine tiefschürfende Erklärung schien ihr nicht sonderlich zu gefallen.
    »Kein Problem«, lächelte sie, peinlich berührt.
    An der Toilettentür sah ich mich verstohlen um: Niemand beachtete mich weiter. Ich tastete auf der Innenseite nach dem Schlüssel. Ich zog ihn ab, machte das Licht an und verriegelte die Tür von außen. Dann steckte ich den Schlüssel in die Manteltasche, huschte zur Hintertür hinaus und gelangte zu der Mauer, die an Señora Carters Grundstück angrenzte. Mit einem Satz war ich auf der anderen Seite.
    Der Hintereingang war unverschlossen. Erneut betrat ich den Tatort. Der Boden war immer noch voller Blut, und man hatte das ganze Haus auf den Kopf gestellt. Überall Zigarettenkippen, wie immer, wenn die Polizei in ein Haus einfällt. Am vorderen Fenster warf ich einen Blick hinüber zum Revier: Alles ruhig, ein Polyp saß auf der Wachbank seine Zeit ab. Ich begab mich schnurstracks ins Arbeitszimmer. Der Schreibtisch war leer. Es überraschte mich, dass die oberen Schubladen immer noch abgeschlossen waren: Die mangelnde Effizienz der Polizei verblüffte mich immer wieder. Ich öffnete die unterste, nichts. Mithilfe meines Taschenmessers brachte ich die anderen auf. Die obere war ebenfalls leer. Und die mittlere enthielt eine Mappe mit einem mir bereits bekannten Titel: Projekt Alpha Eins. Ich schob sie zwischen Mantel und Jackett, presste sie mit dem linken Arm an mich, schloss Schubladen und Türen und verließ das Haus so schnell ich konnte. Die Bäckersfrau durfte nicht merken, dass ich nicht auf der Toilette war, sonst rief sie womöglich die Polizei. Und auf Antelos Visage hatte ich jetzt wirklich keinen Bock.
    Wieder in der Bäckerei, sah ich mich rasch um: Alle waren mit ihren Verrichtungen beschäftigt. Ich holte den Toilettenschlüssel aus der Tasche, schloss auf und schlüpfte hinein, völlig außer Atem. Ich wollte noch kurz die Mappe besser verstauen, damit sie nicht versehentlich herunterfiel. Schon klopfte es an der Tür, und ich fuhr zusammen.
    »Alles in Ordnung, Señor?«
    »Ja. Danke. Einen Moment noch«, sage ich leise.
    Ich betätigte die Spülung und öffnete die Tür. Das alte Mütterchen sah mich argwöhnisch an. Sie traute sich nicht, hinter die Tür zu schauen. Ihre Furcht amüsierte mich.
    »Es geht mir schon viel besser. Sie wissen gar nicht, wie dankbar ich Ihnen bin.«
    Ich bot ihr für die Benutzung der Toilette Geld an,

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