Falsches Spiel
aber das wollte sie nicht. Also kaufte ich zum Zeichen meiner Dankbarkeit ein Dutzend Medialunas.
Ich konnte es gar nicht erwarten, zurück ins Büro zu kommen.
24
María, Espiño und ich saßen mal wieder in der Kneipe. Es war Montag, Mitternacht. Espiño hatte um halb zwölf das Metallgitter heruntergelassen, es war ohnehin kaum mehr Kundschaft da gewesen und nicht schwer, Andrea davon zu überzeugen, woanders nach Freiern Ausschau zu halten.
Espiño ließ der Forrester-Fall nicht los. Im Rausch der Ermittlungen hatte er Adrenalinschübe wie zu seinen besten Zeiten als Journalist bei der Crónica oder als Soldat im Spanischen Bürgerkrieg.
Ich wusste nicht viel über Espiño, aber einmal, bei einem melancholischen Saufgelage, hatte er mir anvertraut, dass er in der elften Internationalen Brigade in Madrid gegen Franco gekämpft hatte. Er erzählte mir auch von den internen Kämpfen zwischen Republikanern, Sozialisten und Kommunisten ’39, die den Internationalen Widerstand beendet und ihn gezwungen hatten, ins Exil zu gehen. Und so hatte es ihn nach Buenos Aires verschlagen.
»Hätte es nicht den Bürgerkrieg innerhalb des Bürgerkriegs gegeben, hätten wir nicht verloren«, hatte er vor fast zehn Jahren nach einem heißen Arbeitstag nach Redaktionsschluss bei einem ausgiebigen Abendessen zwischen der vierten und fünften Flasche Wein mit Tränen in den Augen gesagt.
Man merkte, dass Espiño stolz auf seine Vergangenheit war, aber er brüstete sich dessen nicht und diskutierte auch nie über Politik. Es war, als wäre er seit der Niederlage im Krieg gegen jeden Schrecken gefeit.
»Die Namen stimmen überein«, holte mich Espiño in die Wirklichkeit zurück.
Die Namen aus der Projekt-Alpha-Eins-Mappe stimmten also mit den Angaben in den Zeitungen überein. Weil ich wusste, dass auf Espiño Verlass war, sah ich mir das Ganze nicht näher an.
María hatte ein paar Seiten mit weiteren Berichten über Guerilla-Aktivitäten auf einen Extrastapel gelegt. Mir hing das alles zum Hals raus, ich konzentrierte mich lieber auf María: Sie strahlte und war schöner denn je. Meine Gefühle waren ganz neu für mich. Ich hatte mir noch gar keine Gedanken darüber gemacht. Eigentlich hatte sie nichts Besonderes an sich. Langes dunkles Haar, keine markanten Gesichtszüge, eine eher gewöhnliche Figur ohne auffällige Kurven, wenn auch wohlproportioniert. Aber ihre Art war bezaubernd: Sie war eine Kindfrau, die immer genau im richtigen Moment lachte und einem auch mal den Marsch blies, wenn nötig. Und im Bett, ja da war alles anders. Da gab und nahm sie alles. Vielleicht war das ihr Geheimnis: eine Kindfrau, die sich in eine Sexmaschine verwandeln konnte.
»Hier steht etwas Interessantes«, sagte sie und riss mich aus meinen Gedanken. Sie schob Espiño und mir eine der Seiten zu. Einen Satz hatte sie unterringelt.
»In der gewerkschaftlichen Organisierung liegt der Schlüssel, um dem subversiven Vorstoß ein Ende zu bereiten«, las ich laut vor.
»Die Gewerkschaften, die Polizei und die Militärs haben schon immer gekungelt«, bestätigte Espiño.
»Ich dachte immer, das wäre nur Gerede, aber da lag ich wohl falsch«, bemerkte María mit einem Stirnrunzeln.
»Das ist ein einziges Durcheinander«, sagte ich. »Ich blicke einfach nicht durch. Polizei, Militärs, Studenten, Gewerkschaften, Guerrilla-Organisationen, eine Sekte, die behauptet, sie erwarte die Ankunft von Außerirdischen, hinter der aber etwas ganz anderes steckt, zwei schwule Chirurgen … Das ist doch der helle Wahnsinn, oder kommt das nur mir so vor?«
»Ganz schön harter Brocken, was?«, lachte Espiño.
Lächelnd schob María uns noch eine weitere Seite hin.
»Was es wohl mit Santa Isabel auf sich hat?«, fragte sie.
Ich las den Bericht.
»Die Aktionen werden von Santa Isabel aus koordiniert«, hieß es in einer Zeile.
»Was für Aktionen?«, fragte Espiño.
»Keine Ahnung«, erwiderte ich.
Schweigen. Wir bewegten uns mit verbundenen Augen im Kreis. Ich zog Bilanz: Sieben Tage Ermittlungsarbeit und zwei Tote und sieben Vermisste. Rot markiert waren die Namen von Señora Carter und Marcelo. Blau die von Carla, Juan Carlos Forrester, José Luis, Andrea Vilches, María Inés, Rodolfo Vieytes und Alfredo Patti. Und dann hatte ich noch eine Rotte von acht mit Gewehren bewaffneten Vermummten, von denen vier, davon war ich überzeugt, als angebliche Maurer an dem Bau in Mercedes gearbeitet hatten. Darunter mein Freund, der Schlächter, der jeden
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