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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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zurücktrat. »Jetzt reichen Sie mir Ihr Bein«, sagte sie, während sie sich mit raschelndem Rock hinsetzte. Er stellte seinen Fuß auf ihren Schoß. Sie hatte einen Strumpf aufgerollt und streifte ihn ihm jetzt über seinen Fuß, rollte ihn hoch und befestigte ihn dann mit einem Strumpfband am Knie.
    »Ja, innen und außen muß alles vollkommen sein«, sagte sie, als wolle sie sich selbst daran erinnern. Sie hielt die weißen Lederpantoffeln so vorsichtig, als seien sie aus Glas.
    Und jetzt, als sie endlich fertig war, trat sie atemlos zurück.
    »Signore...« Ihre Augen wurden schmal. »Ich schwöre bei Gott, daß Sie selbst mich täuschen könnten.« Sie blickte ihn an, als wolle sie nicht, daß er sich bewegte.
    »Denken Sie an das, was ich Ihnen gesagt habe«, meinte sie, als sie zu dem Haken ging, an den sie seinen Rock gehängt hatte. »Bewegen Sie sich langsam, bewegen Sie sich nicht wirklich wie eine Frau, denn wenn sie sich so schnell und so viel bewegen wie eine Frau, dann zerstören Sie die Illusion.
    Bewegen Sie sich langsamer als ein menschliches Wesen, und behalten Sie Ihre Arme dicht am Körper.«
    Er nickte. Er hatte es bereits durchdacht und in großem Umfang ausgearbeitet. Tagelang hatte er jede Frau beobachtet, die er sah, und das mit solcher Konzentration, daß er riskierte, für taktlos gehalten zu werden.
    »Was wollen Sie denn da noch?« Sie trat auf ihn zu, um ihn von seinen alten Sachen wegzuscheuchen. Er hatte jedoch das Stilett herausgezogen, und als sie das sah, hielt sie inne.
    Er lächelte sie an, als er sich die eisige Klinge vorne ins Mieder steckte.
    Da drehte sie sich um und nahm eine kleine rosafarbene Rose aus einer Vase. Sie hob sie gegen das Licht, so daß er den stacheligen Stengel, eingeschlossen in ein Glasröhrchen, sehen konnte. Dieses steckte sie ihm neben den Griff des Stiletts in den Ausschnitt, so daß nur die kleine Blüte zu sehen war.
    Dann nahm sie seine Finger, streichelte sie zärtlich, als sie ihm die Ringe mit den künstlichen Steinen ansteckte, und legte seine Hand dann auf diese kleine, duftende Rose.
    »Fühlen Sie diese Weichheit«, flüsterte sie. »Genauso müssen Sie wirken.« Abermals streiften ihre rauhen Lippen über seine Wangen, dann berührter sie seinen lächelnden Mund.
    »Ich bin ganz verliebt in Sie.« Ihre tiefe Stimme kam polternd aus ihrer Brust. Beim Lächeln zeigte sie eine Reihe kleiner gepflegter Zähne.

    Die Kutsche fuhr langsam durch die Via Veneto, mußte wegen der Prozession vor ihr alle paar Sekunden anhalten. Der Boden, den der Regen der letzten Nacht aufgeweicht hatte, war abgetrocknet und zu einem rauhen und unebenen Untergrund geworden. Die Schar der Fußgänger drängte sich an den Pferden vorbei, die ungeduldig schnaubten und die Köpfe hochwarfen.
    Tonio, eine weiß behandschuhte Hand auf den unteren Rand des Fensters gelegt, hielt den Blick unverwandt auf die offenen Kaffeehäuser gerichtet, dann plötzlich klopfte er an die Decke der Kutsche und spürte, wie sie schwerfällig und mit einem Quietschen an den Bordstein heranfuhr. Der zahnlose alte Kammerdiener war heruntergesprungen, um die Tür zu öffnen. Er hielt den Degen, wie Tonio ihn angewiesen hatte, und folgte seiner Herrin jetzt durch die Menge, die ihr mit vorsichtigen, aber bewundernden Blicken Platz machte. Tonio trat durch die offene Tür in den Raum.
    Ein Stück rechts von der Zimmermitte, mit Blick auf die Straße und die dort stattfindende Prozession, saß Guido, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, vor sich einen unberührten Becher Wein. Er war müde und hatte die Augen halb geschlossen.
    Sein Gesicht sah merkwürdig jung aus, so als hätte die Erschöpfung seine Wachsamkeit geschwächt, als hätten Enttäuschung und Sorge bewirkt, daß er einen natürlicheren Gesichtsausdruck zeigte.
    Er nahm es nicht einmal zur Kenntnis, als eine Bank neben ihm aufgestellt wurde und eine Dame dort Platz nahm.
    Dann lehnte er sich verwirrt zurück, sah die violette Seide, vielleicht bevor er alles andere bemerkte. Tonio, der reglos wie eine Puppe inmitten der weiten Röcke dasaß, starrte gelassen zur Straße hinaus.
    Die Luft war warm und schmeichelnd. Er ließ sein dünnes Fi-chu von seinem Dekolleté gleiten. Von überallher, so schien es, kamen verstohlene Blicke. Er hatte dieses Café in Unruhe versetzt. Selbst der Servierjunge, der, das Tablett in der Hand, unbeholfen herumstand, wußte nicht, was er machen sollte.
    Sollte er an den Tisch kommen oder sich nur

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