Falsetto
ihn einengte, dennoch lag es kühl und glatt auf seiner Haut, und als sie es immer enger und enger bis zu seiner Brust hoch schloß, verspürte er ein ganz merkwürdiges Ge-fühl, das fast angenehm war, so als würde dieses Ding ihn stützen, so als würde er davon ebenso gehalten wie geformt.
Ihre kleinen Hände schwebten einen Moment über seinem nackten Hals, wo die glatte Haut sich bis hinunter zu der tief angesetzten Rüsche erstreckte, die quer über seine Brust verlief. Dann flüsterte sie ganz vertraulich: »Gestatten Sie, Signore«, und fuhr mit ihren rauhen, warmen Händen von oben in das Mieder hinein, um seine Brust dort zu formen, sie anzuhe-ben, so schien es. Als er an sich hinabsah, erblickte er dort tatsächlich eine ganz leichte Wölbung, die wie ein Dekolleté wirkte.
Er hatte einen galligen Geschmack im Mund. Er vermied es, in den Spiegel zu sehen. Er stand so still da, daß man hätte meinen können, er wäre überwältigt. Aber er sah teilnahmslos zur Seite, während sie die vollen violetten Röcke um ihn herum-drapierte, das Mieder glattzog, bevor sie ihn bat, sich zu setzen. Er starrte seine Hände an.
»Ihr Gesicht braucht keine Schminke, Signore«, sagte sie.
»Ach, es gibt Frauen, die für diese Wimpern einen Mord be-gehen würden, und dieses Haar, ach, dieses Haar.« Doch sie bürstete es zurück, strich es glatt. Dann spürte er, wie sich das Gewicht einer Perücke auf seinen Kopf senkte. Sie war nicht allzu groß, schneeweiß und mit kleinen Perlen besetzt. Im Nacken war das Haar zusammengenommen, wo es dann in weichen Locken, die er an seinem nackten Rücken spüren konnte, herabfiel. Jetzt drehte sie seinen Kopf so, daß sein Gesicht fast ihren stattlichen Busen berührte.
»Nur ein ganz klein wenig Farbe, Signore, Schwarze Magie« -
sie verzog das Gesicht - »für die Augen.«
»Das kann ich nicht tun«, flüsterte er und versuchte dabei, ihr den Pinsel aus der Hand zu nehmen.
»Signore, lassen Sie mich nur machen«, sagte sie, dann lachte sie. Es war das heisere, geschlechtslose Lachen des Alters.
»Nein, sehen Sie nicht in den Spiegel«, sagte sie mit erhobenen Händen, so als hätte sie Angst, er würde gleich davonlaufen. Sie beugte sich zu ihm hinunter und berührte seine Augen mit einer Sicherheit, die er selbst nicht hätte zeigen können. Er spürte das zarte Gewicht der Farbe auf seinen Wimpern, er spürte, wie sie seine Augenbrauen glatt und hart machte.
»Das ist schon fast zuviel des Guten«, meinte sie und schüttelte den Kopf; dann plötzlich, so als könne sie sich nicht zu-rückhalten, küßte sie ihn auf beide Wangen.
Er legte den Kopf zur Seite und dachte: Wenn ich diesen Raum jetzt verlasse, dann wird der Diener meinen Degen tragen müssen, dabei ist er ein solcher Trottel. Es war, als würde der Kardinal es vorziehen, sich mit absoluten Idioten zu umgeben. Vielleicht bin ich ja auch ein absoluter Idiot, dachte er.
Dann beugte er sich nach vorn und beschattete die Augen mit der Hand. Sie hatte die Fensterläden geöffnet, warmer Son-nenschein ergoß sich ins Zimmer, dann sagte sie:
»Liebstes Kind.« Sie hatte ihn dabei an den Schultern gefaßt.
Wieder dieser Satz, dachte er angewidert.
»Stehen Sie auf und sehen Sie in den Spiegel. Ist es nicht genau, wie ich versprochen habe?« flüsterte sie. »Sie sind die Vollkommenheit selbst. Die Männer werden Ihnen zu Füßen liegen.«
Er stand da und starrte stumm in den Spiegel.
Er wußte nicht, wer diese Kreatur dort war. Hübsch? Oh, sie war hübsch, und unschuldig, so völlig unschuldig. Ihre großen dunklen Augen starrten ihn an, als wolle sie ihm vorwerfen, er hätte einen schmutzigen Gedanken gehabt. Ihr Mieder war an der Taille ganz schmal, nach oben hin wurde es breiter, wobei eine Reihe cremefarbener Rüschen und Schleifen der nächsten folgte, bis dann schließlich diese glatte weiße Haut kam, die die Illusion eines Busens vermittelte. Domenico wäre vor Neid blaß geworden. Und dann das weiße Haar! Es machte sein Gesicht zart und zerbrechlich, verwandelte seine Gesichtszüge in jene eines arglosen jungen Mädchens.
Das weiße Haar war an der Stirn zurückgekämmt, die Locken fielen auf die schimmernde Seide der langen, üppigen Ärmel hinab.
Sie drehte ihn mit beiden Händen herum, stellte sich auf die Zehenspitzen, so als wolle sie irgendein kleines Detail sehen, dann tauchte sie ihren Zeigefinger in den Rougetopf und fuhr ihm damit über die Lippen.
»Ah!« hauchte sie, als sie
Weitere Kostenlose Bücher