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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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prächtig gekleideten jungen Männer, die sich in seiner Gesellschaft befanden, nickten Tonio ebenfalls zu. Tonio floh und verlor sich in der wimmelnden Menge.

    Aber in jener Nacht, in einer trübseligen, schlecht belüfteten Villa, ließ Tonio es zu, daß ihn in einem dunklen Alkoven Hän-de und Lippen berührten, die er kaum kannte.
    Irgendwo spielte Guido in einem Raum für eine kleine Gesellschaft auf dem Cembalo, und Tonio führte, um zu vermeiden, entdeckt zu werden, seinen Verfolger immer weiter davon weg, bis er jene kräftigen Finger nicht mehr in Schach halten konnte.
    Er spürte, wie sich die Zunge des Mannes in seinen Mund drängte, er spürte an seinen Beinen etwas Hartes. Schließlich befreite er es aus seiner Hose, so daß er es mit seinen Schenkeln umschließen konnte. In solchen Augenblicken war er Ganymed, emporgetragen von all der süßen Demütigung der Niederlage in Gestalt eines Knaben, der bereits für eigene Eroberungen ausgestattet war.
    In den darauffolgenden Nächten waren all seine Bezwinger ältere Männer, Männer im besten Alter, selbst Männer mit grauen Schläfen, die rasch bereit waren, einen jungen Körper zu genießen, obwohl Tonio sie manchmal verwirrte, wenn er sich auf die Knie fallen ließ, um in seinen Mund zu nehmen, soviel er fassen konnte.
    Wenn es vorbei war, kniete er ruhig da, hatte den Kopf gesenkt, als wäre er ein Erstkommunikant an der Kommunions-bank, als fühle er die Gegenwart des lebendigen Christus.
    Natürlich wich er diesen Partnern, falls man sie überhaupt so nennen konnte, hinterher aus. Und er ging niemals zu ihnen nach Hause. Statt dessen machte er verschlossene Salons und unbenutzte Kammern, die sich immer ganz in der Nähe der Tänzer, der Menge befinden mußten, zu seinen geheimen Treffpunkten.
    Es erstaunte ihn, daß Männer wie Frauen überall bereit waren, ihn zu verführen, und daß sich naive ausländische Herren, in dem Glauben, er wäre eine junge Frau in Verkleidung, in ihn verliebten.

    Stets badete er, bevor er den Kardinal aufsuchte, stets legte er tadellos saubere oder neue Kleidung an. Und dann verlor er sich, überzeugt davon, daß es keine dieser Begegnungen jemals überhaupt gegeben hatte, in den Armen des Kardinals.
    Doch die Erinnerung an jene heimlichen Umarmungen steigerte noch seine Erregung.

    Eines Nachmittags schließlich ließ er sich mit der Kutsche in die übelste Gegend von Rom fahren.
    Er sah Kinder, die in Torwegen spielten, Leute, die in offenen Läden kochten, Arkaden, in denen Käse und Fleischwaren hingen. Seine Kutsche mußte wegen einer fetten, glänzenden Sau anhalten, deren Ferkel quiekend hinter ihr herliefen. Vor lauter Wäsche, die auf durchhängenden Leinen hing, war der Himmel nicht mehr zu sehen.
    Er lehnte sich in die Lederpolster zurück. Die Fenster hatte er trotz der gelegentlichen Schmutzspritzer und des allgemeinen Gestanks, den auch der Wind vom Tiber her nicht vertreiben konnte, geöffnet.
    Schließlich entdeckte er, wonach er verlangte. In einem Hauseingang stand ein junger Mann, das Hemd bis hinunter zu seinem schwarzen Ledergürtel geöffnet, so daß eine Linie lockigen schwarzen Haares zu sehen war. Es stieg von seiner Taille aufwärts, breitete sich dann bis zu den kleinen rosa Brustwarzen aus, so als würde es den Querbalken eines Kreuzes bilden. Sein Gesicht war, obwohl es rasiert war, rauh wie frisch abgesägtes Holz. Als sein Blick dem Tonios begegnete, sprang plötzlich zwischen ihnen etwas über, das so gewaltig war, daß Tonio der Atem stockte.
    Tonio stieß die bemalte Kutschentür auf. Die Kutsche hatte sich an dieser engen, fast unpassierbaren Stelle ein wenig schräg geneigt. Tonio, gekleidet in einen Rock aus Goldbrokat, starrte geradeaus, wobei er eine Hand, die Handfläche in einer einladenden Geste nach oben gedreht, auf seinen Knien ruhen ließ.
    Der junge Mann kniff ganz leicht die Augen zusammen. Er schob seine Hüften ein kleines Stück nach vorn, und die Ausbuchtung unter seiner engen Hose wurde größer, so als wolle sie von ganz allein auf sich aufmerksam machen.
    Dann ging er auf die Kutsche zu, stieg ein. Tonio ließ die Rou-leaus herunter, um sich und den jungen Mann von der Au-
    ßenwelt abzuschirmen. Nur noch durch ganz schmale Ritzen drang Licht herein.
    Das Pferd stapfte voran. Das kleine Abteil schaukelte langsam auf seinen riesigen Federn dahin. Tonio starrte das schwarze Haar an, das sich auf der olivfarbenen Haut des Mannes lockte. Dann plötzlich legte er seine

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