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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hierfür viel zu betrunken, gleich würde ihm schlecht werden. Er hätte niemals mitkommen dürfen.
    »Warum sind Sie denn so traurig?« fragte sie ihn mit ihrer schnurrenden Stimme. Es war, als wäre sie wirklich an einer Antwort interessiert. Sie hatte so etwas Mächtiges an sich...
    was war es nur... ihre Schönheit besaß etwas Wildes. Vielleicht würde sie ihn tatsächlich dazu bringen... aber das dachte er am Anfang ja immer, und was kam am Schluß dabei heraus? Ein Ringkampf zwischen den Laken, irgendeine kleine Grausamkeit, die ihm entwischte, und hinterher das Feilschen, vielleicht Drohungen. Er war hierfür zu betrunken, viel zu betrunken.
    »Ich muß gehen...«, sagte er. Sein Mund gehorchte ihm nur zögernd. Er würde seine Geldbörse zücken - das hieß, wenn er sie immer noch bei sich hatte. Wo war sein tabarro, was hatte er damit gemacht? Er lag zu seinen Füßen. Aber im Grunde wäre sie ausgesprochen dumm, wenn sie versuchte, ihn zu bestehlen. So dumm war sie bestimmt nicht.
    Es kam ihm so vor, als wäre ihr Gesicht... zu groß. Unmöglich groß. Diese weit auseinanderstehenden schwarzen Augen verblüfften ihn. Er starrte ihre Hände an, als sie an den weißen Löckchen an ihren Schläfen zupfte. Sie hatte eine so wunderbar hohe und gerade Stirn. Aber für eine so schöne Frau be-saß sie zu große Hände, die Hände hätten bei einer jeden Frau zu groß gewirkt! Aber diese Augen! Plötzlich hatte er das Gefühl, dahinzutreiben, kam sich orientierungslos vor wie vorhin in der Gondel, aber das hatte nichts mit dem Wasser zu tun gehabt, oder doch?
    Er spürte, wie sich das Zimmer bewegte, so als befänden sie sich immer noch in dem schmalen Boot.
    »Ich muß... gehen. Ich muß mich hinlegen.«
    Er sah ihr zu, wie sie sich erhob.
    Sie schien sich zu erheben und erheben und erheben.
    »Das ist aber doch nicht möglich ...«, murmelte er.
    »Was ist nicht möglich?« flüsterte sie. Sie stand jetzt, hoch aufragend, vor ihm. Er konnte ihr Parfüm riechen, aber es war nicht so sehr ein französischer Duft, den er roch, sondern ihre Frische, ihren Liebreiz, ihre Jugend. Sie hielt etwas in den Händen. Es sah aus wie eine große schwarze Schlinge aus irgendeinem Material, aus Leder, es war ein Gürtel mit einer Schnalle.
    »Daß Sie ... daß Sie so groß sind...«, antwortete er. Sie hatte die Schlinge über seinen Kopf erhoben.
    »Und das haben Sie jetzt erst gemerkt?« fragte sie lächelnd.
    Exquisit!
    Es war fast so, als könnte er sich in sie verlieben, man stelle sich vor, sie lieben. Sie hatte etwas Besonderes an sich, war nicht nur eine geheimnisvolle Hülle mit einem ordinären Kern, wie er zuerst gedacht hatte, sondern etwas weitaus Wilderes.
    »Aber was machen Sie denn da?« fragte er sie. »Was haben Sie denn da... in Ihren Händen?«
    Sie sahen nicht menschlich aus, diese Hände.
    Sie hatte den zur Schlinge geschlossenen Ledergürtel über ihn fallen lassen. Was für ein außergewöhnliches Vorgehen.
    Er starrte an sich herunter und sah, daß der Gürtel um seine Brust und seine Arme geschlungen war.
    »Was soll denn das werden?« fragte er sie.
    Als er versuchte, sich zu bewegen, wußte er es.
    Sie hatte die Schlinge auch über die Rückenlehne des Stuhls gezogen, und sie saß so fest, daß er sich nicht mehr nach vorn beugen konnte. Er konnte lediglich noch seine Unterarme heben. Das war höchst merkwürdig.
    »Nein«, sagte er lächelnd. Seine Unterarme konnte er bewegen, er nahm sie jetzt hoch und hätte dabei fast die Flasche mit Weinbrand, die auf dem Tisch stand, umgestoßen. Plötzlich machte er einen Ruck nach vorn.
    Nichts passierte. Der Stuhl, riesig und schwer, rührte sich nicht.
    »Nein«, sagte er abermals und lächelte sie dabei kalt an. »Das gefällt mir nicht.« Dann schüttelte er, so als wolle er ein kleines Kind tadeln, sanft den Kopf.
    Sie jedoch war hinter ihn getreten, so daß er sie nicht sehen konnte. Als er versuchte, den Gürtel mit der rechten Hand nach oben zu schieben, merkte er, daß er dafür zu straff saß.
    Jetzt packte er ihn mit beiden Händen, überkreuzte dabei die Arme. Die Branntweinflasche war umgekippt, seine Finger waren naß und rutschten am Leder ab. Irgend etwas hielt den Gürtel von hinten an seinem Platz.
    Da tauchte sie rechts von ihm, direkt neben seiner Schulter, wieder auf.

    »Das gefällt Ihnen nicht?« fragte sie.
    Wieder lächelte er sie kühl an. Für diese Albernheit würde er sie bezahlen lassen, wenn sie nackt und hilflos dalag und er

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