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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ist ein Eunuch, sie können ihn mit bloßen Händen erwürgen.«
    Er sah zu, wie Tonio sich ihm gegenüber an den Tisch setzte.
    Das weiße Hemd hatte er am Hals geöffnet, das Licht umspielte die Konturen seines Gesichts, eine jede Bewegung erinnerte an eine riesige Katze, an einen Panther, und besaß eine gespenstische Anmut.
    Er spürte, wie Haß in ihm aufstieg, ein gefährlicher Haß, der sich gegen dieses Gesicht richtete, dieses vollkommene Gesicht und jede Einzelheit, die er dort sah, gegen all die Dinge, die er über Tonio erfahren hatte, die er sich hatte zutragen lassen über Tonio, den Sänger, Tonio, die Zauberin im Rampenlicht, Tonio, den Jungen und Schönen, den Berühmten.
    Tonio, das Kind, das Andrea unter seinem Dach gnädig und nachsichtig aufgezogen hatte, während er, Carlo, in all diesen Jahren in Konstantinopel vor Wut geschäumt hatte. Tonio, der alles hatte, Tonio, dem er niemals entkommen war, auch nicht einen einzigen Augenblick, Tonio und Tonio und noch einmal Tonio, dessen Namen sie noch auf ihrem Sterbebett gerufen hatte. Tonio, der ihn zum hilflosen Gefangenen gemacht hatte, obwohl er nur die langen, schwachen Gliedmaßen eines Eunuchen besaß und er selbst vier Bravos zu seinem Schutz hatte.
    Wenn er diesen Haß nicht in einem ungeheuren, brüllenden Schrei hinausließ, dann würde er wahnsinnig werden.
    Aber er überlegte, überlegte. Was seine Bravos brauchten, war Zeit. Zeit, um zu erkennen, daß dieses Haus unbewohnt war, daß es zu dunkel war. Zeit, damit sie es durchkämmen konnten.
    »Warum hast du mich nicht getötet?« wollte er wissen, während er plötzlich wieder versuchte, sich nach vorn zu beugen, mit den Händen in die Luft griff. »Warum hast du es in der Gondel nicht getan? Warum hast du mich nicht getöööötet!«
    »Rasch, heimlich?« kam das vertraute, heisere Flüstern. »Und ohne eine Erklärung? So wie deine Männer in Rom auf mich losgegangen sind?«
    Carlos Augen wurden schmal.
    Zeit, er brauchte Zeit. Federico hatte ein gutes Gespür dafür, wenn irgendwo Gefahr drohte. Er würde merken, daß etwas nicht stimmte. Er stand doch direkt vor diesem Haus.
    »Ich möchte etwas Wein haben«, sagte Carlo. Sein Blick wanderte zum Tisch, zu dem Messer mit Elfenbeingriff, das im Geflügel steckte und sich ein kleines Stück außerhalb seiner Reichweite befand, zu den Pokalen, der umgekippten Weinbrandflasche.
    »Ich möchte etwas Wein haben!« Seine Stimme wurde undeutlicher.
    »Verdammt noch mal, wenn du mich schon nicht in der Gondel umgebracht hast, dann gib mir jetzt etwas Wein.«
    Tonio musterte ihn, als gehöre ihm alle Zeit der Welt.
    Dann griff er mit einem seiner unglaublich langen Arme nach dem Becher und hielt ihn Carlo hin.
    »Nimm ihn, Vater«, sagte er.
    Carlo hob den Becher, aber er mußte den Kopf herunterbeu-gen, um trinken zu können. Er schlürfte den Wein, spülte den ekelhaften Geschmack aus seinem Mund. Als er seinen Blick wieder hob, verspürte er ein so starkes Schwindelgefühl, daß er sich einbildete, sein Kopf wäre zur Seite gesackt.
    Er leerte den Becher.
    »Gib mir noch etwas«, sagte er. Das Messer war viel zu weit weg. Selbst wenn es ihm irgendwie gelungen wäre, diesen massiven Tisch zu kippen, der noch schwerer war als der Stuhl, an den er festgebunden war, hätte er das Messer nicht rechtzeitig packen können.
    Tonio nahm die Flasche.
    Federico würde wissen, daß irgend etwas faul war. Er würde zur Tür kommen. Die Tür, die Tür.
    Als er vorhin vor ihr die Treppe hinaufgestiegen war, hatte er ein lautes Krachen, das wie ein Kanonenschlag geklungen hatte, durch das Haus hallen hören. Dabei war ihm noch der flüchtige Gedanke gekommen, daß eine Frau doch nicht in der Lage war, derart kraftvoll einen Riegel vor die Tür zu legen.
    Aber das würde seine Männer nicht aufhalten.
    »Warum hast du es nicht getan?« wollte er, den Becher in beiden Händen, plötzlich wissen. »Warum hast du mich vorhin nicht umgebracht?«
    »Weil ich mit dir reden wollte«, antwortete Tonio so leise, daß es nur noch ein Flüstern war. »Ich wollte wissen... warum du versucht hast, mich umzubringen.« Sein Gesicht, das bis jetzt glatt und ausdruckslos gewesen war, wurde von einer ganz leichten Röte überzogen. »Warum hast du mir in Rom Meuchelmörder geschickt, obwohl ich dir in vier Jahren nichts Bö-
    ses getan habe und auch nichts von dir forderte? War es meine Mutter, die dich bis dahin zurückgehalten hat?«
    »Du weißt, warum ich sie geschickt

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