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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ihr den Mund zuhielt. Er würde nicht allzu grausam sein, aber er würde ihr eine Art Lektion erteilen. Im Geiste sah er sich die Finger unter dieses flache, bestickte Band schieben und es lösen.
    »Machen Sie mich los, meine Liebe«, sagte er kühl und in leisem Befehlston. »Machen Sie mich jetzt los.«
    Er sah diese große Hand vor sich, die sie entspannt herunterhängen ließ, mit Fingern, die unmöglich lang, dünn und weiß waren. Selbst die Ringe waren zu groß. Rubine und Smaragde. Sie war wirklich eine einmalige Frau, eine vollendete Frau.
    Rubine, Smaragde und diese kleinen Perlen.
    Plötzlich bewegte er seine Hand ruckartig nach oben, packte sie am Handgelenk und zog ihre Hand heftig zu seinem Schoß hinunter.
    »Das gefällt mir nicht«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Ich werde Ihnen den hübschen Hals umdrehen, wenn Sie mich jetzt nicht sofort losschnallen.«
    »Ach, das würden Sie mit mir machen?« sagte sie ohne das geringste Anzeichen von Furcht.
    In ihm ging plötzlich eine wundersame Verwandlung vor. Sein Verstand wurde wieder klar, während er sie ansah, ihr in ihr vollkommenes Gesicht blickte. Sein Körper war jedoch immer noch hoffnungslos betrunken. Hinter seiner Stirn begann sich ein dumpfer Schmerz aufzubauen. Seine Arme waren so fest gebunden, daß es ihm nicht möglich war, mit der linken Hand ihren Hals zu erreichen. Wenn es sein mußte, würde er ihr jedoch im Nu den Arm brechen und sie dann zu sich herunter-zwingen. Das würde dann das Ende des Ganzen sein. Er war hierfür zu betrunken gewesen. Er hätte niemals herkommen dürfen.
    »Nehmen Sie mir den Gürtel ab«, sagte er. »Sofort.«
    Sie starrte ihn an, ohne zu antworten, dann schien sie ganz weich zu werden. Sie ließ sich auf seinen Schoß nieder, verdeckte dabei mit ihrem Kopf die Kerze hinter sich. In diesem Moment sah er, daß genau im Zentrum ihrer schwarzen Augen ein ganz schwaches dunkelblaues Schimmern lag. Sie war ihm jetzt so nahe, daß er ihren Atem spürte. Er war frisch, unverdorben. Da stieg in ihm ein leidenschaftliches Verlangen nach ihr auf, ein Verlangen, das er auch empfunden hätte, wenn sie nicht so reizvoll gewesen wäre, nur weil sie so frisch, so jung war.
    Einen Augenblick lang war sie nur ein Körper. Ihre Lippen be-rührten die seinen, und er schloß die Augen. Er lockerte seinen Griff um ihr Handgelenk, aber sie zog ihre Hand nicht weg. Der Kuß ließ ihn bis ins Mark erbeben, ließ seine Leidenschaft bis fast zu jenem Punkt ansteigen, wo nichts anderes mehr von Bedeutung war.
    Dann jedoch versuchte er sich wieder zu bewegen, rollte seinen Kopf an der Rückenlehne hin und her. »Nimm mir den Gürtel ab«, sagte er sanft. »Mach schon, ich will dich! Ich will dich...«, flüsterte er. »Verärgere mich nicht, du törichte Frau.«
    »Aber ich bin keine Frau«, flüsterte sie kurz, bevor er sie mit einem Kuß zum Schweigen brachte.
    »Hmmmmm...« Er runzelte leicht die Stirn. In ihrem kleinen Scherz lag ein Mißklang, ein schrecklicher Mißklang. Seine Lust war träge, kämpfte mit seiner Trunkenheit. Er war sich verschwommen bewußt, daß sie seine Hände wieder auf die Armlehnen des Stuhls gelegt hatte, daß sie seine Hände mit den Handflächen gegen die Armlehnen drückte. Sanft, spielerisch, wobei ihre bloße Berührung aufreizend, aber seltsam war.
    »Keine Frau?« Die Beschaffenheit ihrer Haut hatte etwas Unirdisches an sich, sie war so zart, so weich und dennoch nicht... »Wenn du keine Frau bist«, flüsterte er, während seine Lippen selbst beim Küssen ein Lächeln formten, »was bist du denn dann?«
    »Ich bin Tonio«, hauchte sie in seinen Mund, »dein Sohn.«
    Tonio.
    Er öffnete die Augen. Ein krampfhaftes und schmerzvolles Zukken durchlief seinen Körper, ein lautes Geräusch wie ein Klirren ertönte in seinem Kopf, er bemühte sich, sie mit den Händen von sich wegzuschieben, gleichzeitig versuchte er, sie festzuhalten, sie zu packen, um sie dann von sich zu stoßen.

    Er spürte, wie ein heiserer Schrei aus seiner Kehle aufstieg.
    Sie war von seinem Schoß verschwunden. Jetzt stand sie vor ihm, ragte über ihm auf und starrte auf ihn herab. In diesem Augenblick begriff er alles, welchen Zweck diese Verkleidung hatte, was da gerade passierte. Ihn packte rasender Zorn.
    Er stieß mit den Füßen um sich, zerrte an dem ledernen Riemen, schlug mit dem Kopf hin und her.
    »Federico!« brüllte er. »Federico!« Während er sich wand und zappelte, brüllte er weiter, ohne Worte. Vergeblich

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