Fame Junkies
Assistentin Doris (Anfang dreißig und eher unscheinbar) gerade ihre restlichen Termine für den Tag durchging. Als Willow mich entdeckte, hat sie mich total nett angelächelt. »Hey, bist du Jamie? Toll, dass du da bist.«
Gibt es Menschen, die so was wie eine magnetische Strahlung aussenden, die körperlich spürbar ist? Falls ja, dann ist Willow so jemand.
Sie hat mir vorgeschlagen, dass wir erst mal zusammen in den Pool springen, weil ihr vom Einkaufen so heiß war. Toll. Rate mal, was das Einzige ist, was deine dämliche Freundin nicht eingepackt hat? Genau. Badesachen. Aber hey – wir sind in Hollywood! Willow hat Doris beauftragt, jemanden namens Bobby vom »Le Tuc« anzurufen und verschwand dann nach oben, um sich schnell frisch zu machen. Wobei »schnell« hier anscheinend heißt: »So lange, wie es dauert, bis ein Gletscher Grönland überquert.« Ich hab mich wieder in den Garten gesetzt und gewartet. Irgendwann kam ein grüner Jaguar angerast, aus dem ein kleiner, dünner Typ im schwarzen Anzug sprang, der ein ganzes Sortiment an Bikinis und Badeanzügen unterm Arm hatte. Ich suchte mir den billigsten raus (289 Dollar!) – einen schwarzen Einteiler, MUY sexy. Als ich ihn bezahlen wollte, guckte der Typ mich an, als würde er nicht wissen, was Geld ist.
Ich zog mich um und legte mich an den Pool, aber Willow blieb weiter verschwunden. Dafür hielt als Nächstes ein knallroter Lexus vor dem Haus, aus dem eine Rothaarige mit Riesensonnenbrille stieg. Und weißt du was? Sam ist – genau wie bei mir – sofort aus dem Haus gekommen und hat ihre Handtasche durchsucht! Die Frau sah ziemlich genervt aus.
Ich verstehe das nicht. Inzwischen weiß ich, dass sie eine gute Freundin von Willow ist. Warum sollte Willow Sam beauftragen, die Handtaschen ihrer Freuninnen zu durchsuchen? Aber wenn sie es nicht war, wer war es dann?
Und apropos nicht verstehen: Wieso meldest du dich nicht? Allmählich mache ich mir wirklich Sorgen. Du bist doch normalerweise nie so nachtragend und ich hab mich schon mehrmals entschuldigt. Hallo? Nasim?
Trotzdem Küsse aus L.A.
von Jamie
JAMIE
Oktober, 9. Klasse – NYC
Es gibt ein Merkmal, an dem man eine staatliche Schule auf den ersten Blick von einer Privatschule unterscheiden kann. An Privatschulen sitzt man in der Cafeteria beim Mittagessen an Tischen mit Tischdecken und isst von Porzellan, statt von Plastikgeschirr.
»Sag mal, wo warst du gestern Abend?« Avy legte einen Haufen Hochglanz-Porträtfotos von sich auf den Tisch, an dem außer ihm nur noch Nasim und ich saßen. »Ich hab tausendmal probiert, dich auf dem Handy zu erreichen.«
»Ich? Ach, bloß im Gaia «, antwortete ich mit Unschuldsmiene und warf Nasim, der Die Brüder Karamasow las und nicht zuhörte, einen lauernden Seitenblick zu. Hätte nicht eigentlich er mich fragen müssen, wo ich gestern Abend war, und tausendmal probieren müssen, mich auf dem Handy zu erreichen?
Avy hob ruckartig den Kopf und starrte mich mit offenem Mund an.
»Ich hätte dich zurückgerufen, aber mein Akku war leider leer.«
»Ich fasse es nicht!« Avy verzog anerkennend den Mund.
Das Erstaunen in seiner Stimme ließ Nasim aufhorchen. Er sah auf. »Worum geht’s?«
»Hast du gewusst, dass deine Freundin gestern im heißesten Club von ganz New York war, was ihn automatisch zum heißesten Club der Ostküste macht, ergo zum heißesten Club zwischen London und L.A.?« Avy hatte wirklich ein begnadetes Talent, alles viel dramatischer klingen zu lassen, als es in Wirklichkeit war.
Nasim zog neugierig eine Braue hoch, was ich hoffnungsvoll als Zeichen milder Eifersucht interpretierte.
»Ich war bloß mit meinem Vater und seiner aktuellen Flamme da«, erklärte ich.
»Ja? Und? Details!« Die Verblüffung auf Avys Gesicht verwandelte sich in Ehrfurcht. »Wie um alles in der Welt habt ihr es geschafft, da reinzukommen?«
»Der Artikel in der New York Weekly ?«, riet Nasim. Manchmal hatte ich ihn in Verdacht, weit mehr mitzubekommen, als er sich anmerken ließ.
»Ich fasse es nicht!«, wiederholte Avy. Er war sichtlich neidisch. »Los erzähl! Wen hast du alles gesehen?«
Ich ratterte die Liste der Promis herunter, die mir aufgefallen waren.
»Hat dich auch jemand erkannt?«, erkundigte sich Nasim.
Ich schüttelte den Kopf. »Ein paar Leute haben mich nachdenklich angeschaut, so als würden sie mich von irgendwoher kennen, wüssten aber nicht, wo sie mich hinstecken sollen.«
»Das wundert mich nicht. Schließlich warst du ja ohne
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