Fame Junkies
oder? Avy hat es schließlich auch getan. Er lebt jetzt schon seit fast acht Monaten in L.A. und versucht als Schauspieler einen Fuß in die Tür zu bekommen. (Wobei ich gar nicht weiß, was er im Moment genau macht. Ich habe die ganze Woche über versucht ihn zu erreichen, ihn aber nie ans Telefon gekriegt und auf meine Mails hat er auch nicht geantwortet.)
Ich bekomme hier gerade eine Wahnsinnschance geboten und wäre verrückt, wenn ich sie nicht ergreifen würde. Willow Twine – einer der größten Jungstars Hollywoods – vertraut mir. Mir! Ich habe in den letzten Tagen viele ihrer Freunde und Bekannten aus dem Showbiz kennengelernt und sie hat mir versprochen, mich noch anderen Leuten vorzustellen, die meine Karriere pushen könnten. Wenn ich hierbleibe, hätte ich gute Chancen, die Annie Leibowitz der jungen Garde Hollywoods zu werden. Ich könnte zusammen mit ihnen richtig groß werden, und wenn alles perfekt liefe, wäre ich quasi lebenslang die Fotografin ihres Vertrauens.
Aber was würde dann aus mir und Nasim werden? In letzter Zeit lief es nicht gut zwischen uns, und wenn ich daran denke, wie wir uns am Abend vor meinem Abflug gestritten haben, könnte ich heulen. Dabei sind wir eigentlich so ein tolles Paar. Ich weiß genau, was mein Vater dazu sagen würde: »Du bist zu jung, um Entscheidungen über deine Zukunft von einem Mann abhängig zu machen.« Klar ist jedenfalls, dass ich den Promistatus, den ich im Moment in New York genieße, nicht ewig behalten werde, zumal er hauptsächlich etwas damit zu tun hat, dass ich noch so jung und schon so erfolgreich bin. Aber das wird in ein, zwei Jahren keinen mehr interessieren. Wenn ich in New York bleibe und so weitermache wie bisher, werde ich mit achtzehn eine Fotografin unter Tausenden sein.
Falls ich mich tatsächlich entscheide hierzubleiben, werde ich es Mom auch genau so erklären. Ich werde ihr sagen, dass meine Zukunft in L.A. liegt, weil ich nur hier eine reelle Chance habe, Starfotografin zu werden und wirklich Karriere zu machen. Ich könnte so wie Avy meinen Highschoolabschluss an der Professional Children’s Academy machen und in einer betreuten WG in Starwood wohnen. Letzten Endes geht es im Leben nur darum, wen man kennt. Und im Moment kenne ich die wichtigsten Leute nun mal hier in L.A. und nicht in New York.
Ich höre das Tappen nackter Füße auf den Terrakottafliesen und als ich mich umdrehe, steht Rex Dobro vor mir.
Ja, genau. Die persona , von der Willows Management behauptet, sie sei absolut non grata in ihrem Leben. Der Mann, der dafür verantwortlich ist, dass sie gefährlich nah am Abgrund balancierte und um ein Haar ihre Karriere ruiniert hätte. Weshalb es auch ein streng gehütetes Geheimnis bleiben muss, dass er wieder aufgetaucht ist.
Wenn ich ihn sehe, bekomme ich jedes Mal eine Gänsehaut. Ich kann gar nichts dagegen tun. Rex hat den unwiderstehlichen Charme eines gefährlichen Draufgängers gepaart mit der süßen Unschuld eines zerstrubbelten Jungen. Er ist groß, schlank und sehnig, an allen möglichen Stellen tätowiert und gepierct, hat dunkle Bartstoppeln und dunkle Haare, die ihm ins Gesicht fallen. Als er jetzt vor mir steht, hat er nur eine zerrissene Jeans an, die ihm so tief auf den Hüften hängt, dass ich seine Lendenmuskeln sehe. Auf seiner nackten Brust baumeln Ketten mit Perlen und Anhängern und um die Handgelenke trägt er Leder- und Silberarmbänder. Glaubt mir, wenn ihr den Typ mal aus der Nähe gesehen habt, macht ihr Willow keinen Vorwurf wegen ihres »Fehltritts«. Rex Dobro ist ein Mann, der den Begriff animalische Anziehungskraft perfekt verkörpert.
Willow ist vielleicht die berühmtere von den beiden, aber Rex ist viel, viel aufregender.
»Hey«, murmelt er und grinst mich an, als er neben mich auf einen Barhocker rutscht, die Ellbogen auf die Theke stützt und sich durch die Haare fährt.
»Guten Morgen, M r Rex«, begrüßt Maria ihn. »Möchten Sie Kaffee?«
»Morgen, Maria. Ja, gerne. Am besten gleich eine ganze Kanne. So stark und schwarz wie möglich.« Er wendet sich mir zu. »Na? Gut geschlafen?«
Jedes Mal, wenn er mich so ansieht, mutiere ich schlagartig zum nervösen Teenie. »Ja, ganz okay, und du?«
Sein Lächeln wird breiter und in seine Augen tritt ein träumerischer Blick. Wir wissen beide, mit wem er die vergangene Nacht (oder besser gesagt, den Vormittag) verbracht hat. »Hmm«, seufzt er nur leise und der Ausdruck in seinen Augen ist so voller Verliebtheit und Glück,
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