Fame Junkies
den Film völlig vergessen hatten – schrillte plötzlich der Alarm an meinem Handy. Ich löste mich aus Nasims Umarmung und zog es aus der Hosentasche. »Verdammt. Ich dachte, wir hätten noch ein bisschen Zeit.«
Nasim sah mich erstaunt an. »So spät ist es doch noch gar nicht.«
»Nein, aber heute ist doch Shelbys Party.«
Als er leise aufstöhnte, wurde mir klar, dass er die Party anscheinend völlig vergessen hatte und den Abend lieber ganz anders verbracht hätte. »Willst du wirklich da hingehen?«, fragte er gequält.
»Ach komm, Nasim. Du weißt doch, wie sehr ich mich darauf gefreut hab.« Ich küsste ihn auf die Nasenspitze und stand auf. Als Nasim keine Anstalten machte, sich zu rühren, griff ich nach seinen Händen und zog ihn auf die Füße. »Los, sei kein Spielverderber. Außerdem sind die Partys, auf die man am wenigsten Lust hat, meistens die besten.«
***
Leider bewahrheitete sich diese goldene Regel diesmal nicht. Shelbys »kleine« Party entpuppte sich als Riesenevent in einem gemieteten Loft in SoHo mit ungefähr hundertzwanzig Gästen. Das Fingerfood stammte von einem Edel-Caterer, kaum jemand von den Leuten, die da waren, ging auf die Herrin School, und Shelby war so damit beschäftigt, mich möglichst vielen ihrer »lieben Freunde« als »das Mädchen aus dem Artikel in der New York Weekly – ihr wisst schon, die jüngste Paparazza« vorzustellen, dass wir überhaupt keine Zeit hatten, uns zu unterhalten und endlich mal ein bisschen besser kennenzulernen, wie ich es mir eigentlich insgeheim erhofft hatte.
Jedes Mal, wenn sie den Artikel erwähnte, musste ich mir auf die Zunge beißen, um mich nicht zu verplappern und das People -Cover zu erwähnen. Schließlich hatte ich außer Nasim und meiner Mutter noch niemandem von dem Deal erzählt – nicht einmal Avy oder meinem Vater. Ich platzte zwar beinahe vor Stolz, war aber auch abergläubisch und wollte nicht darüber reden, solange das Heft noch nicht erschienen war. Ich hatte Angst, dass in letzter Minute doch noch irgendwas dazwischenkommen könnte. Zum Beispiel, dass eine noch größere Story meine von der Titelseite verdrängte oder Naomi irgendwie Wind davon bekam und die Verwendung des Fotos gerichtlich untersagen ließ.
Als ich zum ungefähr zehnten Mal die immer gleichen Fragen beantwortete, seilte sich Nasim genervt ab. Irgendwann bemerkte ich, wie er mit Shelby am Büfett stand und sich angeregt unterhielt, was mich ein kleines bisschen eifersüchtig machte, weil ich eigentlich gern selbst ausführlicher mit ihr gesprochen hätte.
Aber das war nur ein kleiner Wermutstropfen, ansonsten lief in meinem Leben alles gut – sogar fast schon zu gut.
Zuerst die Bilder von Tatiana Frazee, dann die Story in der New York Weekly und jetzt das Cover – so viel Glück war mir beinahe unheimlich. Irgendetwas musste schiefgehen. Davon war ich überzeugt.
Aber ich sollte mich irren.
***
Fünf Tage später steckte die People mit meinem Titelfoto von der schwangeren Naomi Fine in den Ständern der Zeitschriftenkioske. Die ersten Exemplare kursierten bereits am selben Tag in der Schule und gaben Anlass für ziemlich viele Blicke und Getuschel. Wahrscheinlich hatte Ethan das Bild entdeckt und geplauder t …
»Wahnsinn!« Avy starrte in der Mittagspause auf die Ausgabe der People , die vor ihm auf dem Tisch lag, und schüttelte fassungslos den Kopf. »Dein Aufstieg ist nicht mehr aufzuhalten, Wondergirl. Jetzt wirst du noch berühmter! Und das ist erst der Anfang.«
Ich fragte mich, ob er Recht hatte und wie dieses »noch berühmter« aussehen könnte. Andererseits neigte Avy ja auch gern dazu, maßlos zu übertreiben. »Glaub ich kaum«, sagte ich. »Außer den Leuten, die wissen, dass da in Minischrift mein Name am Rand steht, kriegt doch niemand mit, dass das Foto von mir ist.«
»Aber du hast bestimmt einen Haufen Geld dafür bekommen, oder?«
Ich nickte.
»Und es macht sich gut in deinem Lebenslauf«, sagte Nasim und ich meinte, einen Hauch von Ironie aus seiner Stimme herauszuhören.
»Stimmt.« Ich sah zu dem Tisch rüber, an dem Shelby Winston mit ihren Freundinnen saß. In diesem Moment blickte sie auf, lächelte und winkte mir mit einer Ausgabe der People zu. Sie deutete auf das Cover, machte ein Oh-mein-Gott!-Gesicht und zwinkerte mir zu.
Zumindest hier an der Schule hatte ich einen gewissen Promistatus erreicht.
NEW YORK PRESS
Baby-Paparazza schlägt wieder zu
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