Fame Junkies
paar Meter bleibt er abrupt stehen und schaut über die Schulter. Seine Bewegungen sind verkrampft und ängstlich. Er hat offenbar Panik, gesehen oder verfolgt zu werden. Aber wer sollte ihm folgen? Oder existieren diese Verfolger nur in seinem Kopf? Ich versuche ihn nicht anzustarren, aber ich kann nicht verhindern, dass ich jedes Mal verstohlen sein Spiegelbild betrachte, wenn wir an einem Schaufenster vorbeikommen. Avy, was hast du dir angetan?, würde ich am liebsten fragen. Du warst so ein wahnsinnig süßer Kerl und jetzt bist du ei n … Ich hasse das Wort, das sich mir unweigerlich aufdrängt, weil es nicht stimmt. Avy ist kein Freak. Er ist mein bester Freund, der Mensch, der mir am allernächsten steht.
Wieder steigen mir Tränen in die Augen. Warum, Avy? Warum?
»Weinst du etwa schon wieder?«, fragt er und zündet sich im Gehen eine Zigarette an.
»Nein, das ist bloß der Smog. Brennen deine Augen nicht?«
»Man gewöhnt sich daran.« Er bläst den Rauch aus. In New York hat er nicht geraucht. Er fand Rauchen immer widerlich. Gar nicht mal aus gesundheitlichen Bedenken, sondern weil Raucher gelbe Finger und schlechte Zähne haben und ihre Klamotten stinken. Das war für ihn Grund genug, es nicht zu tun.
Im Café will Avy nicht in der Nähe des Fensters sitzen. Ich weiß nicht, ob es ihm zu hell ist oder ob er Angst hat, von der Straße aus gesehen zu werden. Vielleicht fühlt er sich mit seinem neuen Aussehen nicht wirklich wohl. Was auch immer der Grund ist, wir suchen uns eine Nische im hinteren Bereich des Raums. Avy zwinkert nervös. Ich starre auf seine knochigen Hände. Die Nägel sind zu Stummeln zerkaut. Was ist bloß passiert? Die Bedienung gießt uns Filterkaffee ein. Avy kippt kiloweise Milch und Zucker in seine Tasse. Seine Hände zittern so sehr, dass etwas von dem Zucker auf die Tischplatte rieselt. Ich überlege fieberhaft, was ich sagen könnte, ohne völlig verkrampft zu klingen, aber ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen, weil ich jeden Moment das Gefühl habe, wieder in Tränen auszubrechen.
»Also erzähl. Du bist hier, weil du eine Story gemacht hast?« Avy sieht mich erwartungsvoll an.
Ich erzähle ihm knapp von meinem Auftrag, sage aber natürlich nichts von den Fotos.
»Eine Woche mit Willow Twine?« Avy bleibt vor Ehrfurcht der Mund offen stehen. »Das ist der Hammer!«
In Anbetracht dessen, was heute passiert ist, kann ich nur mit den Achseln zucken. Avy interpretiert meine Geste falsch. »Schon klar«, grinst er. »Für dich ist so was natürlich keine große Sache mehr. Du bist ja inzwischen an Stars gewöhnt. Aber ich bin echt beeindruckt, Jamie. Du hast wirklich bei ihr in der Villa gewohnt und warst Tag und Nacht mit ihr zusammen. Wahnsinn!«
Oh, Avy, wenn du nur wüsstes t …
Aber ich darf mir nichts anmerken lassen. »Es war nichts weiter als ein Auftrag, Avy. Sie wollte etwas von mir und ich von ihr. Es war ein Geschäft, mehr nicht.«
In dem Moment, in dem ich das sage, frage ich mich wieder, wie ich nur so naiv hatte sein können. Wie hatte ich auch nur eine Sekunde lang glauben können, es wäre etwas anderes als ein Geschäft? Und dann wandern meine Gedanken wieder zu den mysteriösen Fotos zurück.
Warum hat Rex sie aufgenommen? Was läuft da für ein Krimi und welche Rolle spiele ich darin?
»Kann ja gut sein, dass es nur ein Geschäft war«, reißt Avy mich aus meinen Gedanken. »Aber wie viele Leute können schon von sich behaupten, mit Willow Twine zusammengearbeitet zu haben?« Einen Moment lang ist er wieder der alte Avy, der jedes Mal total begeistert und sicher auch ein klitzekleines bisschen neidisch gewesen war, wenn ich hautnah mit Stars in Berührung gekommen war. Plötzlich verdüstert sich sein Gesicht. Er nimmt eine elektrische Zigarette aus einem schmalen Etui, inhaliert, lehnt sich in der Nische zurück und starrt auf die rot glühende Spitze.
»Was ist?« Ich umklammere nervös meinen Kaffeebecher.
»Du hättest mich ruhig ein bisschen mehr unterstützen können, Jamie.«
»Aber das hab ich doch!«
Avy schüttelt den Kopf. »Klar, du hast mir Carlas Nummer gegeben. Aber das war auch schon alles. Und von ihr hab ich bloß die Nummern von zwei Agenten bekommen, die ich wahrscheinlich auch selbst rausgefunden hätte. Danach ist sie einfach nicht mehr ans Telefon, wenn ich sie angerufen hab, und hat mich auch nie zurückgerufen. Du hättest dich echt ein bisschen mehr für mich einsetzen können. Ich meine, immerhin bist du meine
Weitere Kostenlose Bücher