Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
ließ sich Saburi in das Innere des Gebäudes führen. Jella drückte sie auf einen Hocker und legte den Arm auf den Behandlungstisch. Dann rührte sie ein leichtes Schmerzmittel an und befahl der Frau, es zu trinken. Sie achtete darauf, dass es nur leicht wirkte, um Nuru zu schützen, der ja schließlich ihre Milch trank. Dann reinigte sie sorgfältig die Umgebung der Wunde mit Karbolsäure, bevor sie den Arm durch einen selbst entwickelten Sichtschutz vor den Augen ihrer Patientin verbarg. Saburi sollte nicht mit ansehen, wie sie ihr Skalpell zückte, um das Ekzem zu entfernen.
» Erzähl mir von deinem Dorf und deinem Leben«, forderte sie die Ovambofrau auf. Um unvorhergesehene Bewegungen zu verhindern, musste sie versuchen, sie von dem Eingriff abzulenken. Normalerweise hielt Sonja bei solch kleinen Eingriffen die Patienten fest, aber die war ja gerade nicht da. Während Saburi stockend von ihrem Dorf erzählte, das über zwei Tagesreisen von Owitambe entfernt lag, verrichtete Jella in Ruhe ihr Werk. Sie musste fast bis zum Knochen schneiden, um das eitrige Gewebe zu entfernen. Sorgfältig achtete sie darauf, dass sie nichts übersah. Danach reinigte sie die Wunde nochmals mit Karbolsäure und nähte sie zu. Eine halbe Stunde später war der Arm ordentlich versorgt und verbunden. Vorsorglich gab sie Saburi noch etwas von dem Schmerzmittel und brachte sie in das Patientenzimmer.
» Teresa wird dir gleich etwas zu essen bringen«, versprach sie der Ovambo. » Du kannst dich so lange mit deinem Sohn auf eines der Betten legen.«
Zukunftspläne
Valentin Reuter saß mit leicht geschlossenen Augen im Zuschauerraum und lauschte fast mit Wehmut Riccarda van Houtens Gesangsvortrag. Seine feingliedrigen Finger begleiteten mit leichtem Schweben die Musik. Der junge Komponist und Dirigent hatte zum ersten Mal, seit er sich in Windhuk niedergelassen hatte, eine vielversprechende Schülerin. Nur schade, dass er sie schon bald wieder verlieren würde. Er hatte eine lukrative Anstellung in Berlin gefunden, wo er an einem renommierten Theater als Orchesterleiter wirken konnte. Man hatte ihm sogar eigene Arrangements in Aussicht gestellt. Eine solche Chance vergab man nicht, auch wenn er sich überdies auch noch in die junge Frau verliebt hatte. Valentin war ein eher schüchterner Mann, dem es schwerfiel, über seine Gefühle zu reden. Viel eher gelang es ihm da schon, sich über die Musik auszudrücken. Er öffnete die Augen und beobachtete fasziniert, wie Riccarda allmählich an Selbstsicherheit gewann. Es war ihr erster Auftritt vor einem größeren Publikum, doch von dem Lampenfieber, das sie vor wenigen Minuten noch fast um den Verstand gebracht hatte, war nun nichts mehr zu spüren. Ihre Stimme hallte leicht und klar durch den Festsaal, jubelte und verlor sich dann wieder in Tiefsinnigkeit. In den tieferen und mittleren Stimmlagen hatte sie ein weiches Timbre, das Valentin berührte und zugleich erregte. In den höheren Stimmlagen dagegen wurde die Stimme leicht, beweglich, fast verspielt und zart. Umso erstaunlicher fand er die große Strahlkraft, die sie in der höchsten Lage entwickelte und die sie zu einer wahrhaft begabten Koloratursopranistin machte.
Riccarda hatte sich nicht davon abbringen lassen, einen Liedzyklus von Robert Schumann vorzutragen. Als ihr Klavier- und Gesangslehrer hatte Reuter ihr davon abgeraten, denn der Zyklus » Frauenliebe und -leben« verlangte von der Interpretin große Empathie und viel Einfühlungsvermögen; beides forderte sehr viel Kraft. Es war nicht so, dass er ihr selbiges nicht zugetraut hätte, aber Riccarda hatte kaum Bühnenerfahrung, und Valentin fürchtete, dass ihre Stimme kippen könnte. Immerhin musste sie innerhalb einer halben Stunde in acht Liedern den Lebensweg einer Frau von der ersten Liebe bis zum Tod ihres Mannes wiedergeben. Doch seine Befürchtungen blieben unbegründet. Trotz ihrer Jugend und Unerfahrenheit gelang es Riccarda, die Zuschauer mitzureißen. Im Publikum saßen einige Honoratioren aus der Stadt, darunter auch der Direktor der Oberrealschule, höhere Protektoratsbeamte und sogar Ratsmitglieder. Gebannt lauschten sie dem Vortrag der Sängerin, die voller Emotionen den Zuhörern den Eindruck vermittelte, als hätte sie dieses Leben selbst durchlebt. Die Leichtigkeit des ersten Verliebtseins war wie ein Hüpfen und Tirilieren. Dem folgte bange Hoffnung, schwelgerische Verliebtheit und schließlich tiefe Freude über den Heiratsantrag. Dem Eheglück und
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