Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Können wir nicht lieber auf eine der Plazas gehen? Es soll hier auch schöne Parks mit Springbrunnen und Cafés geben. Lass uns lieber dort hingehen. Ich möchte unter Menschen.«
» Wie du meinst«, meinte Valentin mit einem Hauch von Enttäuschung. Ihm wäre die Abgeschiedenheit einer Kirche viel lieber gewesen, um mit ihr allein zu sein. Auf dem Schiff bot sich leider so gut wie nie die Gelegenheit zu einem vertrauten Gespräch. Zu seinem Bedauern verzichtete Ricky jetzt auch darauf, seinen Arm zu nehmen. Stattdessen lief sie fröhlich ihre Handtasche schwenkend voraus. Da auch sie sich nicht auskannte, wählte sie einfach immer die Gasse, die ihr am verlockendsten erschien. Valentin hatte Mühe, ihr durch das Gewirr der Straßen zu folgen. Er rief ihr zu, etwas langsamer zu gehen, doch Ricky lachte nur und beschleunigte sogar noch ihre Schritte. Dann hatte er sie mit einem Mal aus den Augen verloren. Er ging zurück zu dem Punkt, an dem er glaubte, sie zum letzten Mal gesehen zu haben, und rief nach ihr. Erst jetzt fiel ihm auf, in was für einer verwahrlosten Gegend sie gelandet waren. Er bekam sofort ein schlechtes Gewissen, weil er nicht mehr auf den Weg geachtet hatte. Auf der anderen Seite war es ja Ricky gewesen, die hierhergestrebt war. Er rief noch mehrmals nach ihr, doch er bekam keine Antwort. Das Viertel sah wirklich nicht sehr Vertrauen erweckend aus. An den Häusern blätterte überall der Verputz ab. Glasscheiben waren zerschlagen oder fehlten ganz, und die wenigen Menschen, denen er begegnete, sahen ihn nicht gerade freundlich an. Dann hörte er einen spitzen, hohen Schrei aus einer der Gassen. Er stammte ohne Zweifel von Ricky. Hastig versuchte er die Richtung auszumachen, woher der Schrei kam, doch es war nicht eindeutig. Endlich, zwei Gassen weiter, sah er eine strampelnde Frau am Ende einer Sackgasse in einem Haufen Müll liegen und schreien.
» Warte, ich bin gleich bei dir«, rief er, froh, dass er sie gefunden hatte. Immerhin schien ihr nichts Ernstes passiert zu sein.
» Hilfe, ein Dieb!«, schrie sie aus vollem Halse. Erst jetzt entdeckte er den großen, hageren Mann, der mit ihrer Handtasche in den Händen aus dem Schatten einer Hauswand trat und direkt auf ihn zurannte. Valentin war kein mutiger Mann und schon gar nicht auf ein Gerangel mit einem ihm körperlich überlegenen Halunken aus. Doch die Gasse war an der Stelle ziemlich eng, sodass es zwangsläufig zu einer Konfrontation kommen musste. Noch ehe er sich an eine Hauswand drücken konnte, um den Dieb passieren zu lassen, war dieser bei ihm und rempelte ihn so grob an, dass er das Gleichgewicht verlor. Im Fallen bekam er mehr aus Zufall denn aus Absicht das Hemd des Schurken zu fassen und riss ihn damit zu sich auf den Boden. Sein Gewicht lastete schwer auf ihm. Noch ehe er sich berappeln konnte, sah er, wie der Dieb seine Faust ballte und sie mit einem donnernden Schlag auf seiner Nase platzierte. Valentin hörte ein hässliches Knirschen in seinem Schädel, dann verlor er das Bewusstsein.
Als er wieder zu sich kam, sah er in Rickys sorgenvolles Gesicht. Vorsichtig tupfte sie mit einem Taschentuch das Blut aus seinem Gesicht.
» Gott sein Dank«, meinte sie sichtlich erschüttert. » Ich dachte schon, der Kerl hätte dich umgebracht. Du siehst einfach schrecklich aus! Wie konntest du dich nur mit ihm prügeln? In meiner Handtasche war ja nicht einmal Geld.« Obwohl Valentins Kopf höllisch schmerzte, grinste er sie schief an.
» Ich hätte nicht gedacht, dass du dir Sorgen um mich machst.« Aus einem plötzlichen Impuls heraus legte er seine Hand um ihren Hals, zog sie sanft zu sich herunter und küsste sie auf den Mund. Ihre Lippen waren weich und voll und schmeckten köstlich. Einen himmlisch langen Augenblick ließ Ricky ihn gewähren. Doch dann befreite sie sich entschieden aus seiner Umarmung und gab ihm mit einem verlegenen Lächeln sein Taschentuch zurück.
» Wir sollten jetzt besser gehen. Kannst du laufen, oder soll ich Hilfe holen?«, fragte sie, als wäre nichts zwischen ihnen geschehen. Nichts in ihrer Stimme verriet, was sie für ihn empfand.
» Es wird schon gehen«, meinte er enttäuscht. Er richtete sich auf, wobei ihm erneut schwindlig wurde. Ricky erkannte es und packte ihn unter dem Arm, um ihm hochzuhelfen. » Ich werde dich stützen«, meinte sie besorgt. » Schließlich bist du mein tapferer Ritter.«
Valentin war übel, seine gebrochene Nase schmerzte, und sein Kopf dröhnte von dem Schlag, doch
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