Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Leitung übernehmen.«
Valentin verbeugte sich höflich und lüpfte seinen neuen Strohhut, den er sich in Hamburg zugelegt hatte. » Es freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen«, meinte er galant. » Selbst in Südwestafrika liest man hin und wieder über Sie. Unlängst las ich, dass man Sie zum Professor der Preußischen Akademie der Künste berufen hat. Herzliche Gratulation! Das ist wahrhaft eine große Auszeichnung.«
» Papperlapapp!«, tat Zille das Lob ungnädig ab. » Allet nur windige Luft. Wissen Se wat dat völkische Blatt › Fridericus‹ dazu jeschrieben hat?«
Valentin bedauerte. Zille schmunzelte, als er die Zeitung in bestem Hochdeutsch zitierte: » Der Berliner Abort- und Schwangerschaftszeichner Heinrich Zille ist zum Mitglied der Akademie der Künste gewählt und als solcher vom Minister bestätigt worden – Verhülle, o Muse, dein Haupt!«
» Oh, wie charmant«, antwortete Valentin einigermaßen perplex. » Da scheinen ja einige Herren ganz schön neidisch zu sein.«
Zille zuckte gleichgültig mit den Schultern. » Soll’n se, soll’n se.«
» Vater, meinst du nicht, dass wir uns langsam mal von diesem zugigen Bahnhof wegbewegen sollten?«, mischte sich nun Margarete ein. Sie war eine ruhige, aber energische Frau von etwa vierzig Jahren mit lustigen Augen und Pausbäckchen. » Anna wartet schon mit Kaffee und Kuchen auf uns. Außerdem glaube ich, dass Riccarda von der langen Reise ganz schön müde sein wird. Sie wird sich bestimmt etwas ausruhen wollen.«
Für Margarete und Heinrich war es abgemachte Sache, dass Ricky zunächst bei Heinrich Zille, seinem Sohn Walter und dessen Schwiegertochter Anna wohnen würde, bis sie ein passendes Zimmer gefunden hatte. Es war zwar nur eine Notlösung, aber für die erste Zeit würde es wohl gehen. Zille rief deshalb einen Gepäckträger herbei und ließ Rickys Koffer zu einem der Taxis bringen. Ihr blieb kaum Zeit, sich von Valentin zu verabschieden.
» Willst du nicht wissen, wo ich wohne?«, fragte er leicht gekränkt. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie ihn noch gar nicht danach gefragt hatte. » Das Theater hat für mich eine kleine Mansardenwohnung in der Nähe der Reichenberger Straße angemietet. Es wird nichts Großartiges sein, aber ich darf dort immerhin Klavier spielen und kann dort meine Schüler unterrichten. Lass dir die genaue Adresse im Theater geben. Morgen habe ich noch keine Verpflichtungen. Wenn du willst, gebe ich dir Unterricht. Du hast schon viel zu lange nicht geübt.«
» Ach, Valentin!« Ricky fühlte sich plötzlich von ihm bedrängt. » Lass mich doch erst hier ankommen. Ich melde mich in den nächsten Tagen.«
Er nickte stumm, aber an seinem Blick sah sie, dass er enttäuscht war. In einem Anflug von Bedauern legte sie kurz die Hand auf seinen Arm. » Ich werde mich bald melden«, versprach sie hastig. Als er sie zum Abschied auf die Wange küssen wollte, entzog sie sich ihm.
Berlin war eine verwirrende, laute Stadt. In einer Mischung aus Aufregung und ungezügelter Neugier nahm Ricky ihre neue Heimat mit allen Sinnen auf. In den ledernen Rücksitz des Taxis geschmiegt beobachtete sie das an ihr vorüberziehende rege Leben auf Berlins Straßen mit seinen elektrifizierten Straßenbahnen, Pferdedroschken und immer zahlreicher werdenden Automobilen und Lastwagen. Sie hatte das Gefühl, dass die Zeit in dieser großen Stadt doppelt so schnell verging wie zu Hause in Afrika. Die Menschen auf den Straßen schienen es alle sehr eilig zu haben. Sie hasteten über die großen Boulevards, querten wie getrieben die gefährlichen Straßen und strömten wie Ameisen in die großen Kaufhäuser. Manchmal wurde der Verkehr durch einen Schutzmann in der Mitte einer Kreuzung geregelt. Mit schrillen Pfiffen und zackigen Bewegungen gab er den Verkehrsteilnehmern Zeichen, wie sie sich verhalten sollten. An anderen Kreuzungen waren Lichtsignale angebracht, an die sich die Fahrer halten mussten. Rot bedeutete Halt, Grün Weiterfahren. Ricky war überrascht, wie gut hier alles funktionierte. Die meisten Menschen schienen sich an die Regeln zu halten, die man ihnen auferlegte – und wenn nicht, wurden sie von den Gendarmen zurechtgewiesen. Sie dagegen war das Chaos in afrikanischen oder indischen Städten gewohnt, wo das ungeordnete Durcheinander oft in wilden Tumulten endete. Auch hier wurde auf den Straßen gehupt, aber nicht um des Hupens willen, sondern um auf sich aufmerksam zu machen. Das zeigte denn auch meistens
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