Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
wieder selbst auf den Arm. Selbst Frau Teitelbaum wischte sich ein paar Lachtränen aus den Augen, als sie schließlich endete.
» Damit müssen Sie auf die Bühne«, keuchte sie vor lauter Lachen. » Sie haben ja ein wahrhaft komödiantisches Talent.« Auch Valentin war höchst amüsiert.
» Frau Teitelbaum hat recht«, meinte er nachdenklich. » Das musst du ausbauen. Ich hätte nie gedacht, dass du so eine komische Ader hast!«
» Vielleicht gerade wegen meines kaputten Beins«, meinte sie mit einem schiefen Grinsen.
*
Was Valentin als kleine Revanche gedacht hatte, sollte für Ricky noch zu einem wahren Segen werden. Schon bald bekam sie die Gelegenheit, ihre komödiantischen Talente vor einem deutlich größeren Publikum auszuprobieren. Doch bis es so weit war, nutzte sie die Zeit, um weiterhin tapfer das Gehen zu üben. Zur Uraufführung von Heinrich Zilles Film Die Verrufenen benötigte sie immerhin nur noch einen Stock. Valentin, dem sie die zweite Premierenkarte geschenkt hatte, holte sie mit einem Mietwagen ab. Als sie vor dem Ufa-Theater in der Turmstraße vorfuhren, wartete dort bereits eine ansehnliche Menschenmenge. Ricky hatte immer gewusst, dass Heinrich Zille einen gewissen Ruf in Berlin hatte, aber dass so viele Menschen seinen Film sehen wollten, überraschte sie dann doch. An diesem Abend traf sich in Berlin alles, was Rang und Namen hatte.
Vor dem Eingang des Filmtheaters lag ein roter Teppich, über den die Ehrengäste ins Innere liefen. Ricky und Valentin mischten sich unter die Menschenmenge und beobachteten, wie der preußische Innenminister Severing mit dem Oberbürgermeister von Berlin an ihnen vorbeischritt. Sie wurden vom Polizeidirektor und den Direktoren der Berliner Gefängnisse begleitet.
» Nee, nu bin ick aber froh, dat ick mir keene Karte nich leisten kann«, rief ein Mann mit Schiebermütze. » Wenn de jetzt in det Theater jehst, dann fühlst de dir ja wie mittenmang im Knast!« Die Leute um ihn herum lachten und machten weitere Späße, bis schließlich der Wagen von Heinrich Zille vorfuhr. Mit einem Mal drängten die Menschen nach vorne. Die meisten von ihnen waren nur seinetwegen gekommen – wegen des großen Künstlers, der nie vergessen hatte, dass er auch von ganz unten kam. Sie jubelten und klatschten, als er aus dem Wagen zu steigen versuchte. Schlussendlich musste die Schutzpolizei eingreifen. Zille waren die begeisterten Zurufe der Menschen sichtlich peinlich. Er mochte es nicht, wenn man so viel Aufhebens um ihn machte, musste es aber jetzt wohl oder übel erdulden. Schließlich entdeckte er Ricky am Seitenrand inmitten der Menschenmenge und steuerte auf sie zu. Er kniff sie in die Wange und freute sich offensichtlich, sie zu sehen.
» Det is mir aber heute die jrößte Freude, dass du hier uff de eigene Beene stehst. Warte nachher im Foyer. Im Anschluss jibt es noch eine kleene Feier.«
Ricky fühlte sich geschmeichelt und wollte etwas entgegnen, doch Zille wurde bereits von Gerhard Lamprecht, dem Regisseur des Films, in Beschlag genommen und winkte ihr nur noch zu. Nun wurde es langsam auch für sie Zeit, in das Theater zu gehen. Valentin führte sie zu einem etwas weniger benutzten Seiteneingang, damit sie nicht in das Gedränge kam. Zur Premierenvorstellung waren nur geladene Gäste zugelassen. Eine zweite Vorstellung im Anschluss war ebenfalls schon ausverkauft. Valentin geleitete die humpelnde Ricky zu ihrem Platz in einer der vorderen Reihen. Einige Zeit später ging das Licht aus, und das gleichmäßige Gemurmel der Zuschauer verebbte.
» Das ist mein erster Filmbesuch«, gestand Ricky ganz aufgeregt. » Es muss herrlich sein, bei so etwas mitzumachen.«
Bevor der Film jedoch als Hauptattraktion anlief, wurde ein ausgiebiges Vorprogramm auf der Bühne vor der Leinwand gezeigt. Unter anderem gab es eine Bühnenschau unter dem Motto » Sein Milljöh«. Das Bühnenbild, vor dem Balletttänzer agierten, war voller Zille-Motive, und dann trat als Überraschungsgast die große Claire Waldoff auf, die in Wirklichkeit an Körpergröße eher klein war. Die roten Haare unter einer Ballonmütze versteckt, kam sie als Gauner aus dem » Milljöh« verkleidet auf die Bühne – und beherrschte sie mit ihrer Präsenz vom ersten Augenblick an. Ricky beobachtete fasziniert, wie ihre eigenartige Ausstrahlung, die weder durch Schönheit noch durch eine wirklich schöne Stimme zu erklären war, alle anwesenden Zuschauer in ihren Bann zog. Es war das Kesse und
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