Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
sonst so friedliebenden Mann zu beruhigen. Kaum war ihm das einigermaßen geglückt, trat einer der burischen Ratsmitglieder auf sie zu. Es handelte sich um einen kleinen Mann in hellem Leinenanzug und Strohhut. Er überreichte Wyk mit knappen Worten eine Depesche und wartete in sicherem Abstand auf dessen Reaktion. Wyk riss den Umschlag ungehalten auf, las aufmerksam die Nachricht und wurde dabei immer bleicher. » Sie wissen, was das bedeutet?«, fragte der Abgeordnete mit hochgezogener Augenbraue. Er hielt es nicht einmal für notwendig, dem Baster in die Augen zu sehen. Wyk biss die Zähne zusammen und ballte vor Wut die Fäuste. Raffael bekam nun endlich die Gelegenheit, das Schreiben ebenfalls zu lesen. Die Depesche war laut Datum bereits vor einigen Tagen verfasst worden. Darin drohte die südafrikanische Regierung im Falle eines Aufstandes mit dem Einmarsch von Truppen. » Sie haben demnach gewusst, wie die Richter heute entscheiden würden«, stellte er fassungslos fest. Der Ratsabgeordnete lächelte überheblich und hob Unwissenheit vortäuschend die Hände. » Wir leben in einem Rechtsstaat, Herr Anwalt. Das sollten Sie doch am besten wissen.« Damit wandte er sich um und ging.
Margaretes Händchen zupften an Raffaels Schnurrbart, den er sich vor einiger Zeit hatte stehen lassen, und rissen ihn damit aus seinen trüben Gedanken. Voller Zärtlichkeit fuhr er mit der Hand über ihren roten, lockigen Flaum, der ihn an seine Halbschwester Jella erinnerte. » Ach, Gretchen«, murmelte er, » wenn es doch nur so einfach wäre!« Vor lauter Grübeln war ihm entgangen, dass sich schon seit geraumer Zeit ein kleiner beleibter Mann zu Fuß den Berg hinaufquälte. Raffael erkannte ihn erst, als er bereits vor seiner Veranda stand.
» Eintritt gestattet?«, drang eine altbekannte wohltönende Stimme zu ihm herauf.
» Herr Pastor! Was machen Sie denn hier?« Raffael setzte die protestierende Margarete auf dem Boden neben ihrem Bruder ab, um den Besucher zu begrüßen. Er streckte ihm die Hand entgegen, um ihm die kleine Treppe auf die Veranda hinaufzuhelfen. » Mit Ihnen habe ich nun gar nicht gerechnet.«
» Hast du ein Glas Wasser für einen Gottesmann?«, schnaufte Traugott Kiesewetter atemlos. Umständlich nahm er seinen Strohhut vom Kopf und betupfte seine schweißglänzende Glatze mit einem Taschentuch. Während Raffael sich anschickte, eine Karaffe mit Wasser zu holen, ließ sich der Pastor schwerfällig in den Schaukelstuhl fallen. » Konntet ihr nicht auf einen noch höheren Hügel ziehen?«, meinte er schließlich beinahe vorwurfsvoll, als Raffael mit Sonja und Benjamin wieder auf die Veranda trat. Er schnaufte immer noch und war sichtlich erschöpft. Sonja goss Kiesewetter ein Glas Wasser ein und reichte es ihm. Der Gottesmann trank es in einem Schluck leer und verlangte sofort ein weiteres. Erst als er dieses ebenfalls geleert hatte, fiel ihm ein, dass er Sonja und den Jungen noch gar nicht richtig begrüßt hatte. » Bitte verzeihen Sie, werte Frau Sonthofen«, entschuldigte er sich. » Das war jetzt wohl doch etwas unhöflich, aber ich wäre doch glatt beinahe verdurstet.« Sonja lachte etwas verlegen. » Sie müssen sich nicht entschuldigen, Herr Pastor. Wir freuen uns über jeden Besuch, seit wir hier wohnen.« Sie sah Raffael Hilfe suchend an. Der sprang ihr sofort mit einer fast trotzigen Erklärung bei. » Vielleicht wissen Sie es noch nicht, Herr Pastor, aber wir sind nicht verheiratet, auch wenn ich Sonja als meine Frau betrachte.« Schützend legte er den Arm um ihre Schultern. » Die Ratsversammlung erlaubt uns die Ehe nicht. Für Mischlinge wie mich ist deshalb nur Platz in Gegenden wie dieser.« Mit einem bitteren Lächeln deutete er auf die schäbigen Hütten der Old Location. Kiesewetter winkte nur ab. » Ach, das weiß ich doch längst! Die ganze Stadt hat sich wohl schadenfroh über euch den Mund zerrissen. Ich habe davon leider erst jetzt erfahren, weil ich gerade von einem längeren Aufenthalt aus dem Betschuanaland zurückkehre. Ich musste dort einem kranken Kollegen zur Seite stehen. Jetzt ist er wieder auf dem Damm, und ich bin auf dem Weg in meine kleine Mission.« Kiesewetter musterte die beiden beinahe vorwurfsvoll. » Warum seid ihr denn nach deiner Rückkehr aus England nicht gleich zu mir gekommen? Ich hätte euch schon längst getraut.«
» Eine kirchliche Eheschließung allein ist in den Augen der Ratsversammlung nicht gültig. Das wissen Sie doch genau«, antwortete
Weitere Kostenlose Bücher