Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
abgesetzt, hatte der Junge auch schon die nächste Ohrfeige abbekommen. Seine Wange glühte vor Schmerz, und sein Ohr war ganz taub von dem Schlag. Als Nächstes fühlte er, wie er an der Schulter gepackt und über ein Knie gelegt wurde. Dann hörte er einen Ratsch und bemerkte zu seiner Beschämung, dass ihm der Alte die Hose heruntergerissen hatte. Er wusste nicht, was schlimmer war, die nun folgenden Schläge mit der Reitgerte auf sein blankes Hinterteil oder die Scham, die er dabei empfand. Der böse alte Mann drosch mit ungezügelter Wut auf ihn ein, bis ihm die Haut aufsprang und er zu bluten begann. Hätte Hendrik nicht eingegriffen, hätte er ihn vielleicht zu Tode geprügelt. Gedemütigt und halb besinnungslos vor Schmerz war er vor ihm liegen geblieben. Er war selbst zum Heulen zu schwach.
Der alte Mann keuchte vor Erregung und blinder Wut. » So ergeht es jedem, der sich mir widersetzt«, schnaufte er. » Dies soll dir eine Lehre sein. Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!« Benjamin zwang sich, ihn anzusehen. Seine anfängliche Empörung wich jämmerlicher Angst. In diesem Moment hatte er erkannt, dass es keinen Sinn hatte, sich diesem Unhold zu widersetzen.
Die Schläge hatten dem Jungen so zugesetzt, dass er zwei Tage lang nicht fähig gewesen war zu reiten. Doch der alte Mann hatte darin keinen Grund dafür gesehen, ihn zu schonen. Kurzerhand ließ er ihn bäuchlings über Luckys Rücken legen und dort festbinden. Dann waren sie weitergezogen, obwohl dem Jungen das Blut in den Kopf gestiegen war und er kaum noch Luft bekam. Nach wenigen Stunden war er so am Ende gewesen, dass er immer wieder ohnmächtig wurde. Notgedrungen hatten sie in der Wildnis ein Lager aufgeschlagen, in dem sie zwei Tage geblieben waren. Der alte Mann hatte ihm eine Salbe gegeben, mit der er seinen Hintern einreiben konnte. Benjamin nahm sie nur an, weil er Angst vor weiteren Schlägen hatte.
Gegen Abend erreichten sie die von Hügeln umschlossene Stadt Tsumeb. Bereits die Buschmänner hatten hier vor langer Zeit Kupfervorkommen entdeckt und das Metall in Termitenbauten, die sie zu Hochöfen umfunktioniert hatten, gewonnen. Nachdem die Weißen ins Land gekommen waren, wurden in dem einzigartigen Gestein dieser Gegend auch seltene Minerale, Edelsteine und Erze gefunden. Manche Edelsteine waren sogar außergewöhnlich kostbar, weil man sie nur hier fand. Eine besonders mineralienreiche Gegend war ausgerechnet das Land, das Baltkorn sich unter den Nagel gerissen hatte. Um kein Aufsehen zu erregen, ließ Nachtmahr außerhalb der Stadt absitzen. Sie warteten, bis es ganz dunkel geworden war. Er hatte einen Plan. Zum ersten Mal seit langer Zeit war er wieder zuversichtlich. Die Entführung seines Enkels hatte seinem Leben wieder einen Sinn verliehen. Der Junge war gar nicht so übel, fand er. Mit der Zeit würde er ihn sich schon so biegen, wie er zu sein hatte. Er erkannte in ihm einiges von seiner Tochter wieder. Das Lächeln und die zarten Finger. Die Vorstellung, dass er sich mit der Entführung des Jungen eine nur angemessene Entschädigung für das Leid geholt hatte, das die Menschen auf Owitambe ihm angetan hatten, war wie Balsam auf seiner Seele. Selbst seine Magenbeschwerden hatten sich seither gebessert. Es bereitete ihm satte Genugtuung, wenn er nur daran dachte, wie verzweifelt nun dessen Vater, dieser elende Bastard, sein musste. Er malte sich aus, wie sie vergeblich nach ihm suchten, bis sie schließlich einsehen mussten, dass sie ihn für immer verloren hatten. Und er hatte etwas gewonnen! Nachtmahr musterte seinen Enkel nachdenklich aus den Augenwinkeln. Nein, der kleine Bursche war wirklich nicht so übel. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, so hätte er in ihm niemals einen Mischling erkannt. Benjamins Haut war hell, seine Augen von einem strahlenden Blau. Nur die Krause seiner blonden Haare zeugte von seiner negroiden Abstammung. Er würde ihn sich zurechtbiegen und aus dem Jungen einen echten Nachtmahr machen. Die Prügel, die er ihm verpasst hatte, waren gut investiert. Seither war der Junge völlig eingeschüchtert. Es würde nicht mehr lange dauern, und der Kleine würde genau das tun, was er von ihm verlangte – und dabei das Richtige lernen. Doch in manchen sentimentalen Momenten wünschte er sich auch, dass der Junge nicht nur Angst vor ihm hatte, sondern ihn auch respektierte. In einer plötzlichen Gefühlsaufwallung schlug er ihm kameradschaftlich auf die Schulter, was Benjamin sofort verschreckt
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