Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
war. Also würde sie warten müssen. Um sich die Zeit zu vertreiben, zündete sie sich eine Zigarette an. Plötzlich vermisste sie Valentin, und zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass ein Abend ohne ihn weitaus weniger schön war als einer, bei dem er ihr Gesellschaft leistete. Sie blies den Rauch ihrer Zigarette in die blaue Nachtluft hinaus und nahm sich vor, in Zukunft mehr Rücksicht auf ihn zu nehmen. Gedankenversunken bemerkte sie die Scheinwerfer des herannahenden Autos erst, als es neben ihr zu stehen kam. Es handelte sich um ein elegantes Cabriolet, einen rot lackierten Mercedes Benz mit der lang gestreckten Armbruster-Karosserie – ein sündhaft teures Auto. Ricky trat etwas beiseite, um den Insassen das Aussteigen zu erleichtern, doch das Auto folgte ihr und hielt direkt neben ihr an. Etwas pikiert versuchte sie hinter die Scheiben zu blicken, aber in der Dunkelheit war es ihr nicht möglich, den Fahrer zu erkennen. Die Fahrertür öffnete sich, und ein uniformierter Chauffeur stieg aus dem Wagen. Er kam direkt auf sie zu und öffnete dann mit einer leichten Verbeugung die hintere Tür. Sie wollte gerade fragen, was das alles zu bedeuten habe, als sie aus der Dunkelheit des Wageninneren eine Stimme vernahm, die ihren Herzschlag für einen Moment zum Verstummen brachte.
» Willst du nicht einsteigen, Riccarda?«
Schwere Zeiten
Schwere Regenfälle hatten die rötliche Erde von Owitambe in ein rutschiges Schlammfeld verwandelt. Jella stapfte durch knöchelhohen Lehm vom Farmhaus in Richtung des Lazaretts, um noch einmal nach ihren Patienten zu sehen. Unter den Dorfbewohnern hatte sich ein hartnäckiger Grippevirus ausgebreitet, der bei einigen zu schweren Lungenentzündungen geführt hatte. Jella hatte sie zur Beobachtung bei sich im Lazarett behalten und verabreichte ihnen den Wurzelsud, den sie nach Sonjas schwerer Geburt ebenfalls angewandt hatte. Mittlerweile erzielte sie damit bei bakteriellen Infektionen beachtliche Erfolge, auch wenn sie sich mit der Dosierung nicht immer sicher war.
Sonja erwartete sie bereits. » Die meisten sind über den Berg«, berichtete sie erschöpft. » Nur die Frau, die sie erst gestern zu uns gebracht haben, liegt noch im Fieberwahn.«
Jella hörte ihr aufmerksam zu. » Nach meiner Erfahrung dauert es gute vierundzwanzig Stunden, bevor die Therapie anschlägt«, meinte sie. » In wenigen Stunden müsste auch bei der Frau das Fieber sinken. Ich werde gleich mal nach ihr sehen.« Ihr fiel auf, wie blass Sonja war. Seit Monaten hielt sie sich mehr im Lazarett als zu Hause auf. » Ich möchte, dass du jetzt nach Hause gehst«, sagte sie. » Gustav und Margarete werden dich sicherlich vermissen.« Sonja lächelte gequält. » Es geht ihnen bei ihren Großmüttern blendend«, behauptete sie. Jella wusste, dass dies nur die halbe Wahrheit war. Sonja hatte Angst davor, mit ihren Zwillingen alleine zu sein, weil sie dann noch mehr an Benjamin denken würde, als sie es ohnehin schon tat. Es ist ein Jammer, dachte sie. Sie kann sich einfach nicht damit abfinden, dass sie ihn vielleicht nie mehr wieder sieht. Dabei steht die nächste Geburt kurz bevor. Als hätte Sonja ihre Gedanken erraten, schüttelte sie den Kopf. » Ich glaube, ich werde nie über Benjamins Verschwinden hinwegkommen«, meinte sie. Jella drückte voller Anteilnahme ihren Arm. » Du darfst nicht dauernd daran denken. Die Zwillinge und das neue Baby brauchen dich – genauso wie Raffael.« Bei der Erwähnung von Raffaels Namen presste Sonja die Lippen aufeinander. Jella ärgerte sich, dass sie so weit vorgeprescht war. Es war ihr schließlich bekannt, dass die beiden derzeit nur wenig Kontakt hatten. Zwar telefonierte Raffael möglichst jede Woche mit seiner Frau, aber Jella hatte nicht das Gefühl, dass sie sich viel zu sagen hatten. Die beiden fanden immer noch keinen Weg, Benjamins Verschwinden gemeinsam zu verarbeiten.
» Dann werde ich mal zu den Kindern gehen«, lenkte Sonja schließlich ein. » Falls du mich brauchst, kannst du mich jederzeit rufen.«
Jella sah nochmals die Krankenakten durch und verglich die Fieberkurven mit ihren bisherigen Aufzeichnungen. Dann ergänzte sie die Liste, bevor sie nach den Kranken sah. Wie Sonja es ihr berichtet hatte, waren die meisten ihrer Patienten über den Berg. Ihre Behandlung war ein voller Erfolg. Zufrieden trat sie unter das Vordach des Lazaretts, wo die Angehörigen der Kranken geduldig warteten. Es war üblich bei den Schwarzen, dass sie ihre
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