Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
verguckt. Der Kerl ist so krank, dass er nur einen hochkriegt, wenn er in Weiberkleidern steckt!«
» Also muss er für seine Dienste bezahlen?« Raffael hatte plötzlich das Gefühl, dass sie ihrem Ziel näherkamen.
Nils nickte grinsend. » Darauf kannst du wetten«, meinte er. » Der Typ aus dem Gasthaus hat gemeint, dass du für das Geld drei Nächte mit ’ner Nutte durchficken könntest, so teuer ist es.«
» Also viel zu viel für einen kleinen Beamten?«
» Viel zu viel«, bestätigte Nils.
*
Stromer entwickelte sich zu einem richtigen Wildfang. Er folgte Benjamin inzwischen auf Schritt und Tritt und vertrieb ihm die Langeweile. Seit der alte Mann krank war, genoss der Junge mehr Freiheiten. Nachtmahr hinderte ihn nun nicht mehr daran, die nähere Umgebung der Jagdhütte zu erforschen. Er hatte nicht einmal mehr die Kraft dazu, den Jungen zu verprügeln. Und er wollte es auch gar nicht mehr. Der alte Mann machte sich nichts vor. Er ahnte, dass er sterbenskrank war und nicht mehr lange zu leben hatte. Aber die Tatsache, dass er seinen Enkel um sich hatte, gab ihm auch wieder Kraft. Er hoffte sehr darauf, dass ihm noch eine gute Zeit mit seinem Enkel bleiben würde. Auf eine gewisse Art und Weise hatte er mit sich und der Welt seinen Frieden gemacht. Der glühende Hass auf die Menschen von Owitambe war zwar nicht erloschen, aber er schwelte unter einer dicken Schicht Asche. Er hatte ihnen das genommen, was sie am meisten traf – ihre Zukunft. Das war eine herrliche Rache. Benjamin war noch jung. Er würde bald seine Familie vergessen haben und sich nur noch an ihn erinnern. Dieser Gedanke gefiel ihm zunehmend besser. Je länger er durch seine Krankheit zum Nachdenken gezwungen wurde, desto mehr dachte er über seine Beziehung zu dem Jungen nach. Auf die ihm mögliche Art hatte er ihn in sein Herz geschlossen. Manchmal ertappte er sich sogar dabei, wie er sich wünschte, dass auch der Junge ihn mehr mögen würde. Seine beste Entscheidung war gewesen, ihm diesen Köter zu schenken. Das Herz des Jungen hing sehr an dem Hund, auch wenn er es tapfer ihm gegenüber zu leugnen versuchte. » Warte nur, bald wirst du auch mich mögen«, fuhr es ihm manchmal durch den Kopf. Und dann wunderte er sich über sich selbst. Bislang war es ihm herzlich egal gewesen war, ob ihn jemand mochte oder nicht. » Alte Männer werden sentimental«, schalt er sich selbst, und dennoch wuchs in ihm der Wunsch, dass der Junge endlich seine Verstocktheit ihm gegenüber aufgeben würde.
Durch Melindas gute Pflege ging es Nachtmahr zunächst wieder etwas besser. Sie kochte ihm Kräutertees, die seinen Magen beruhigten und ihm in Kombination mit den Schmerzmitteln sogar einige schmerzfreie Stunden bescherten. Nachtmahr nutzte sie, um seinem Enkel das Angeln beizubringen. Benjamin lernte schnell und war geduldig. Als er schließlich seinen ersten Fisch an der Angel hatte, lächelte er ihm zum ersten Mal voller Stolz zu.
» Das bekommt nicht jeder am ersten Tag hin«, lobte Nachtmahr ihn. Sofort verdunkelte sich das Gesicht des Jungen wieder, und er kniff seine Lippen zusammen. Nachtmahr versuchte es nicht zur Kenntnis zu nehmen. » Wollen wir ihn gleich ausnehmen und hier am Fluss grillen?« Der Junge nickte und machte sich ohne Aufforderung daran, etwas Feuerholz zu sammeln. Unterdessen nahm Nachtmahr den Fisch aus und spießte ihn auf einen angespitzten Stecken. Als das Feuer zwischen ihnen prasselte, saßen sie sich schweigend gegenüber. Stromer tollte unterdessen am Flussufer entlang und versuchte vergeblich nach einem Schmetterling zu schnappen.
» Ich habe Melinda beauftragt, dir ein paar Schulbücher zu besorgen«, begann Nachtmahr schließlich ein Gespräch. » Es wird langsam Zeit, dass du wenigstens Lesen und Schreiben lernst.«
Benjamin sah seinen Großvater verächtlich an. » Ich kann schon lange lesen und schreiben«, meinte er stolz. » Außerdem lerne ich in der Schule mehr als bei dir.«
Nachtmahr zog missmutig die Augenbraue hoch. » Du hältst mich wohl für einen ungebildeten alten Mann?«
» Du hast nicht mal Bücher in der Hütte.«
» Das stimmt, aber wenn du willst, werde ich Appeldorn bitten, uns welche zu leihen. Möchtest du, dass ich dir daraus vorlese?«
» Ich kann selber lesen!«, lehnte Benjamin stolz ab.
» Dann kannst du ja vielleicht mir vorlesen?«, schlug Nachtmahr unbeholfen vor. Benjamin schüttelte energisch den Kopf. » Lieber lese ich gar nicht.«
Die schroffe Zurückweisung verletzte
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