Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Handtasche nach dem Saphirring, den Mukesh ihr in Berlin geschenkt hatte, und drückte ihn Mohandas in die Hand. » Bitte nimm ihn. Ich hoffe, er reicht, um dich für deine Mühen zu entschädigen.« Mohandas schüttelte fast beleidigt den Kopf und gab ihr den Ring zurück. » Ich bin Rajpute«, sagte er stolz. » Wenn ich dein Geschenk annähme, käme ich mir wie ein Verräter vor.« Er verneigte sich mit zusammengefalteten Händen vor ihr und sprach einen Segen: » Möge Shivas Kraft dich sicher in deine Heimat bringen.« Dann verschwand er in der Dunkelheit.
Als Ricky im Zug saß, ließ die Anspannung endlich nach. Sie hatte die letzten zwei Nächte so gut wie gar nicht geschlafen, sodass sie rasch in einen tiefen, traumlosen Schlaf glitt. Als sie erwachte, war es längst hell. Noch etwas benommen betrachtete sie die braune, eintönige Landschaft mit ihren Feldern und kleinen Dörfern, die an ihr vorbeizogen. Dann wurde ihr wieder schlecht, und sie musste mit einem Würgegefühl kämpfen, das sie nur mühsam in den Griff bekam. Zum Glück war sie allein in ihrem Abteil. Rasch öffnete sie das Zugfenster und atmete die noch morgendlich frische Luft ein, bis sie sich wieder besser fühlte. Erst dann stellte sie fest, dass irgendetwas mit ihrem Gepäck nicht stimmte. Der Schaffner hatte ihr vor der Abfahrt den Koffer auf die Ablage gelegt, doch jetzt lag er, halb geöffnet, ihr gegenüber auf dem Sitz. Das Schloss war aufgebrochen worden. Hastig sah sie nach, was fehlte. Ihre Kleider waren durchwühlt, jedoch noch vollzählig. Was der Dieb allerdings nicht übersehen hatte, war ihr Schmuck. Bis auf den Ring, den Mohandas abgelehnt hatte und den sie daraufhin in ihre Handtasche gesteckt hatte, war sie nun völlig mittellos.
Ricky setzte sich auf ihren Platz zurück und musste plötzlich mit einem hysterischen Lachanfall kämpfen. Jetzt fehlt nur noch, dass ich schwanger bin, dachte sie mit einer Portion schwarzem Humor. Doch sofort wurde sie wieder ernst; so abwegig war der Gedanke gar nicht. Die morgendliche Übelkeit der letzten Tage … Sie hatte sie immer auf die Aufregung geschoben. Doch nun überlegte sie ernsthaft, wann sie ihre letzte Blutung gehabt hatte. Sie konnte es drehen und wenden, wie sie wollte, aber sie war tatsächlich schon seit zwei Monaten überfällig. Sie hatte nie darauf geachtet, weil sie immer mit anderen Dingen beschäftigt gewesen war …
Die Vorstellung, von Mukesh zu allem Leid auch noch ein Kind empfangen zu haben, empfand sie nun als blanken Hohn. Auf diese Weise glaubst du wohl, dich für immer bei mir einnisten zu können, dachte sie sarkastisch. Aber da hast du dich getäuscht! Ich werde es auf keinen Fall zur Welt bringen. Du hast mir schon einmal das Herz gebrochen, noch einmal lasse ich das auf keinen Fall zu. Während sie so dachte, musste sie erneut mit den Tränen kämpfen, dieses Mal vor Selbstmitleid. Sie hatte für diesen Mann alles aufgegeben, was ihr lieb und teuer gewesen war, ihre Karriere, ihre Freunde und Valentin, der sie in all den schwierigen Zeiten durch seine aufopferungsvolle Liebe gestützt hatte. Der Gedanke an ihn schmerzte sie besonders. Sie hatte seine Liebe mit Füßen getreten. » Ich habe alles falsch gemacht, was man in Liebesangelegenheiten nur falsch machen kann«, überlegte sie und musste noch einmal bitter lachen. Das Einzige, was ihr nun noch geblieben war, war ein Rest von schwarzem Humor, als sie an einen von Claire Waldoffs Sprüchen denken musste: » Und wenn alles noch so schlimm ist, dann mach dir nischt draus. Es jibt imma noch wat Schlimmeres.«
In Bombay suchte sie als Erstes einen Pfandleiher auf, bei dem sie ihren Saphirring versetzte. Sie erhielt für das kostbare Stück eine lächerlich geringe Summe. Es reichte gerade, um sich ein Zimmer in einem einfachen Hotel zu nehmen. Sie musste sparsam sein, um die Zeit zu überstehen, bis die Geldanweisung von ihrem Konto aus London eingetroffen war. Bis dahin war sie zur Untätigkeit verdammt. Das Zimmer, das sie bewohnte, war stickig und dunkel. In den Ecken wimmelte es von Kakerlaken. Ricky verbrachte so wenig Zeit wie möglich im Hotel. Tagsüber bummelte sie über die lebhaften Basare, schaute den Händlern beim Feilschen zu oder ging an den Hafen, um sich nach den auslaufenden Schiffen zu erkundigen. Dabei hatte sie viel Zeit, um über ihre Zukunft nachzudenken. Die Zeit, die sie gemeinsam mit Mukesh verbracht hatte, erschien ihr im Nachhinein wie ein unwirklicher Traum. Es schmerzte
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