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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
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bestürzt wie Alison, die Paul am liebsten in den Boden pressen, seine Entwicklung stoppen würde. Ihr gefällt dieses ganze Heranwachsen nicht. Als sie Paul zuletzt an die Messwand gestellt hat, war sie entsetzt.
    Nach und nach verschwinden alle vom Frühstückstisch. Außer Alison und Ingrid, die aufräumen. Außer Paul, der den Blick starr auf den Vater richtet. Charles ist in diesen bevorstehenden fernen Krieg vertieft, mit Exocet-Raketen und militärischen Ausschlusszonen, eine ganz neue Sprache. Schließlich dringt zu ihm durch, dass Paul etwas gesagt hat.
    »Also, was ist, kann ich?«
    »Kannst du was?«, fragt Charles.
    »Kann ich mit Nick und ein paar anderen aus der Schule nach Amsterdam?«
    »Warum?«
    »Na, so zum Rumgucken. Sachen anschauen und so.«
    »Wie viel?«
    »Dreißig Pfund? Wahrscheinlich weniger.«
    »Nein«, sagt Charles und wendet sich wieder den Exocet-Raketen zu.
    Alison steht an der Spüle, schweigend, aber offensichtlich aufmerksam. Sie scheint zum Sprechen anzusetzen, sagt dann aber doch nichts. Ingrid räumt Charles’ leere Tasse ab und wischt mit einem feuchten Lappen über den Tisch.
    »Nicks Eltern lassen ihn«, sagt Paul. Mürrisch. Aufgebracht. Seine Stimme klingt jetzt wie ein Grollen.
    Charles schlägt die Zeitung zusammen, wirft einen kurzen Blick auf Paul und dann auf seine Armbanduhr. »Hast du ein spezielles Interesse an van Gogh?«
    »An wem?«
    »Eben«, sagt Charles. Er steht auf und wendet sich an Alison: »Ich gehe zur Bibliothek, bin aber zum Mittagessen wieder zurück.«
    Paul starrt seinen Vater wütend an. »Endgültig nein?«
    »Ich fürchte«, sagt Charles sehr freundlich. »Ich sehe keinen vernünftigen Grund für ein Ja.« Er verlässt den Raum.
    Paul holt mit dem Fuß aus und kickt heftig gegen das Tischbein. »Scheiße!« Ingrid schnalzt missbilligend mit der Zunge.
    »Ich verstehe dich, Schatz«, sagt Alison. »Aber du bist doch erst vierzehn, und ich bin nicht sicher, ob Amsterdam so ganz … Ich meine, möglicherweise irgendwann eine kleine Fahrt ans Meer mit deinen Freunden, vielleicht nach Brighton … Ehrlich gesagt bin ich überrascht, dass Nicks Eltern … Bist du dir da ganz sicher?«
    »Die haben gesagt, vielleicht«, knurrt Paul. »Vielleicht, wenn ich die Erlaubnis kriege.« Dann fügt er im normalen Gesprächston hinzu: »Ich hasse Dad.« Er stakst hinaus.
    Ingrid sagt: »Wir haben keine Milch mehr. Ich gehe einkaufen. Oder fährst du später zu Sainsbury?«
    *
    Alison ist allein in der Küche, der sonnenhellen Frühlingsküche, und denkt an Essen. Mehrgleisig. Einmal denkt sie an Fischstäbchen, Hamburger mit Pommes, Nudelauflauf, Würstchen im Schlafrock, Kartoffeleintopf, dann wieder fantasiert sie sehnsüchtig von einer höheren Ebene des Essens, von Coq au Vin , Cassoulet und der Ratatouille, die sie den Kindern dieses Wochenende unterjubeln will. Einerseits gibt es Familiengerichte, andererseits Gerichte für Erwachsene, auf die sich Alison gern stärker konzentrieren würde, falls das umsetzbar wäre – ist es aber nicht, denn dann gäbe es einen Aufstand bei den niederen Chargen. Die Ratatouille könnte gerade noch unbeanstandet durchgehen, und das Zitronenhähnchen, ein Grenzfall zwischen kind- und erwachsenengerecht, ziemlich sicher auch. Alison setzt sich an den Tisch, notiert Zutaten und merkt, dass ihr dieses und jenes fehlt und sie zum Supermarkt fahren muss – lästig an einem Samstag.
    Alison ist eine richtige Hausfrau und Mutter, wie es inzwischen aus der Mode gekommen ist, aber ihre organisatorischen Fähigkeiten lassen zu wünschen übrig. Sie plant nicht genug voraus, Vorräte gehen aus, sie vergisst, den Boiler warten, die Fenster putzen zu lassen, die Kinder schimpfen mit ihr, weil sie aus ihren Schuluniformen herausgewachsen sind oder weil Alison ihnen kein Geld für die Benefiz-Tombola mitgegeben hat. Ingrid erinnert sie oft an solche Dinge (»Was würde ich ohne dich bloß machen?«); Charles setzt nur eine resignierte und unbeteiligte Miene auf.
    Alison ist sich ihrer Unzulänglichkeiten bewusst, nimmt sie sich aber nicht sonderlich zu Herzen. Schließlich bekommen alle zu essen, ein Dach über dem Kopf, Zuwendung, Gehör, Hilfe, Taschengeld, Geburtstagspartys, Liebe und Aufmerksamkeit, ein echtes Vier-Sterne-Familienleben, und das ist doch das, was zählt, oder nicht? Was macht das schon, wenn gelegentlich ein Warnlicht blinkt, was macht das schon, wenn Allersmead nicht zu den Häusern gehört, wo alles läuft wie am

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