Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
Vom Netzwerk:
leicht zu reizen ist, kann keine gute Ehefrau und Mutter sein.
    »Ja, Schatz«, sagt sie. »Selbstverständlich. Das weiß ich. Trotzdem habe ich das Gefühl, wir sollten die Dinge manchmal besprechen , wenn es ein Problem mit den Kindern gibt. Vor allem, nachdem du heute früh so eine, hm, kleine Auseinandersetzung mit Paul hattest …«
    Charles fällt ihr ins Wort. »Alison, ich arbeite.«
    »Ja, auch das weiß ich«, sagt Alison rücksichtslos.
    Charles atmet tief durch. Er starrt eine Weile vor sich hin, dann wendet er sich zu ihr und sieht sie an. »Warum bist du dann in meinem Arbeitszimmer?«
    Alison erwidert sein Starren. »Weil ich hier wohne.«
    Nun ist die Spannung da. Etwas Dunkles ist ins Zimmer geschlichen.
    Charles legt die Hand auf den Manuskriptstapel, der auf dem Schreibtisch liegt. »Dieses Buch«, sagt er, »ist …«
    »Ich weiß«, schneidet Alison ihm das Wort ab. »Dieses Buch und alle anderen Bücher.«
    »Was ich sagen wollte – dieses Buch, das du nicht lesen wirst, wie ich zu behaupten wage –, dieses Buch ist zufällig fast fertig. Ich sitze am letzten, entscheidenden Abschnitt.«
    »Worum geht es denn?«, fragt Alison.
    Schon ein zweites Mal heute diese Frage. »Es geht um … um verschiedene Vorstellungen von Jugend, jungen Menschen.«
    Alison lacht.
    »Ein amüsantes Thema?«
    »Ganz und gar nicht«, sagt Alison. »Es kommt mir nur sehr passend vor.«
    Sie mustern einander.
    »Ich habe Kinder«, sagt Alison. »Und du hast Bücher. Außer, dass du natürlich auch Kinder hast.«
    »Natürlich.«
    Das Dunkle lauert.
    »Zum Glück«, setzt Alison wieder an, »liebe ich Kinder. Jedes Kind.« Ihr Blick ist durchdringend scharf geworden.
    Charles wendet sich ab. »Das kann man sagen.«
    Leicht außer Atem war Alison hereingekommen, genervt und durcheinander. Jetzt hat sie sich gefasst. Sie ist kühl, beherrscht, ganz anders als sonst. Kein Wunder, dass Charles unruhig wird.
    »Alison«, sagt er, »ich sehe, dass du einen schwierigen Tag hast. Diese Dinge regeln sich ganz sicher von selbst.«
    Da lächelt Alison, ein knappes, unerfreuliches Lächeln. »Aber klar doch. Das tun ja alle Dinge, nicht wahr? Sogar die lästigsten. Ich überlasse dich deinen Büchern.«
    Alison geht. Charles kneift die Augen zusammen, runzelt die Stirn. Er starrt aus dem Fenster, dann auf das Blatt Papier in der Schreibmaschine. Minuten verstreichen. Er beginnt wieder zu tippen, erst stockend, dann zügiger. Mit einiger Anstrengung bringt er seine Gedanken wieder in Fluss, und wieder verschließt er sich völlig vor der Außenwelt. Eine halbe Stunde vergeht. Er merkt nicht, dass Alison die Treppe hinaufsteigt und kurz stehen bleibt, um mit Gina zu reden. Er merkt nicht, dass Ingrid und die Kleinen zurückkommen, vom Hund laut begrüßt.
    Charles ist förmlich taub. Muss er sein. Er hat sich die Taubheit antrainiert. In seinem Arbeitszimmer schaltet er auf den Modus »taub«, und das Haus weicht gehorsam zurück. Er hört kein Weinen, kein Gebrüll, kein Gepolter auf den Treppen, kein Telefon; nicht einmal den Hund.
    Daher hört er auch nicht, wie Ingrid nach einer Weile anklopft. Noch hört er sie schließlich ins Zimmer treten. Nur am Rande bekommt er mit, was sie sagt: »Soll ich dir Tee bringen?«
    Er blickt nicht auf. »Hm? Ach so – ja. Ja, bitte.«
    Ein Becher erscheint neben ihm. Charles tippt, hält einen Moment inne, greift nach dem Becher, trinkt, tippt weiter.
    Ingrid bleibt stehen. Nach einer Weile sagt sie: »Ich bin ein Dienstmädchen.«
    Charles hört das nicht sofort. Dann erreicht ihn ein Echo. Darin ist nicht ganz klar zu erkennen, ob Ingrid eine Frage gestellt oder eine Aussage gemacht hat. Diese Unklarheit fesselt Charles’ Aufmerksamkeit nicht weniger als der Inhalt der Worte; in solchen Dingen ist er Pedant. Er nimmt die Hände von der Tastatur. »Rede keinen Unsinn.«
    »Das stimmt«, sagt Ingrid.
    Charles seufzt. »Ach, Ingrid, jetzt sei doch nicht so. Haben die Kinder Ärger gemacht?«
    »Die Kinder waren wie immer.«
    Ingrid weicht nicht von der Stelle, sie steht etwas hinter Charles’ Stuhl. Er muss sich verdrehen, um sie anzusehen. Ihr Gesicht ist wie üblich unbewegt, aber in ihren Augen liegt ein Ausdruck, vor dem er in Deckung gehen möchte. Er wendet sich ab.
    »Hör mal«, sagt er. »Du weißt, dass wir … Du weißt, dass ich …«
    »Ich weiß gar nichts«, sagt Ingrid.
    Charles runzelt die Stirn. »Es tut mir leid, dass du dich so fühlst.« Seine Hände wandern zur

Weitere Kostenlose Bücher