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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
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Sommer so angespannt ist, was sonst anscheinend niemand bemerkt. Schließlich macht sich Katie auch Sorgen wegen ihrer eigenen ständigen Besorgtheit; sie sollte gelassener sein, sich entspannt zurücklehnen wie Gina und Sandra oder auch Paul, aber der lehnt sich wieder so extrem zurück, dass er schon fast auf dem Rücken liegt, und das ist auch nicht so toll.
    Mum regt sich über Paul auf. Er zieht dauernd ab nach Bude, und sie kann ihn nicht daran hindern. Er sollte eigentlich kein Geld haben, hat aber irgendwie trotzdem welches; er behauptet, er gehe surfen, dabei hat er noch nie das leiseste Interesse am Surfen gezeigt. Mum sitzt jedes Mal wie auf Kohlen, bis er wiederkommt. Zusätzlich quält es Mum, dass Ingrid diesen Mann herzitiert hat. Sie ist überschwänglich nett zu Jan und auch zu Ingrid, dennoch springt ins Auge, dass sie mit der Situation nicht gerade glücklich ist. Hat sie etwas gegen die, nun ja, unübersehbare Beziehung der beiden? Sicher nicht. Ingrid ist schließlich erwachsen, sehr erwachsen, kann man sagen. Befürchtet Mum, dass Ingrid weggehen wird? Wie dieses eine Mal (an das sich Katie nur sehr undeutlich erinnert)? Aber da ist sie doch wiedergekommen!
    Mum ist auch wegen Sandra und ihres Typen beunruhigt. Wie viel Zeit die beiden miteinander verbringen, wie weit sie womöglich gehen – obwohl das, offen gesagt, völlig klar ist. Sie treiben es miteinander, da ist Katie ziemlich sicher. Mum schwitzt natürlich Blut und Wasser, dass Sandra schwanger werden könnte. Das macht auch Katie ein bisschen Angst, es wäre ein ernsthaftes Problem. Wenn aber tatsächlich ein Baby zur Welt käme, würde Mum es einfach kassieren und der Familie einverleiben, oder nicht? Doch das wird nicht passieren, dafür wird Sandra schon sorgen. Mädchen wie Sandra werden nicht schwanger.
    Kriegt Dad von dem Ganzen überhaupt etwas mit? Jan scheint er wahrzunehmen, aber nur, weil beim Essen noch jemand anderer da ist, mit dem er reden kann; allerdings antwortet Jan nicht. Dad erläutert seinen Standpunkt zu irgendwelchen Dingen, und Jan nickt und sagt: »Aha, so ist das, ja.« Mum hat dafür gesorgt, dass Dad dem ersten Krach mit Paul wegen der Fahrten nach Bude nicht ausweichen konnte. Aber es fällt auf, dass nicht Dad derjenige ist, der ständig fragt, wo ist Paul? Hat jemand Paul gesehen? Und Sandras Typ ist überhaupt nicht in sein Blickfeld vorgedrungen.
    Dad ist nicht wie andere Väter, das hat man schon immer gewusst. Ist ja auch gut so, wer will schon einen Vater vom Fließband. Er hat nie typische Vätersachen gemacht, zum Beispiel mit den Jungs Fußball gespielt. Wenn man so zurückblickt, war er da und gleichzeitig nicht da, und wenn man Probleme hatte, ging man damit nicht zu Dad, obwohl man gerechterweise sagen muss, dass er immer ganz Ohr war, wenn es um schulische Dinge ging. Andere Väter gehen zur Arbeit, Dad geht in sein Arbeitszimmer. Und zu gegebener Zeit kommt dort ein Buch heraus.
    Katie hat versucht, ein paar von Dads Büchern zu lesen. Für sie die Art Lektüre, bei der sie peinlich genau den Worten folgt, Zeile für Zeile, Seite für Seite, um plötzlich festzustellen, dass diese Worte nichts Konkretes ergeben, worüber sie hätte berichten können. Was natürlich ihre Schuld ist: Sie ist einfach nicht intelligent oder alt genug.
    Wir sind nicht die übliche Familie, denkt Katie. Wir sind so viele Kinder, und Mum leistet die meiste Erziehungsarbeit. Tut sie das, weil sie es will und Dad nur eine Art Beiwerk ist oder weil Dad sich drückt? Außerdem haben wir eine Art Au-pair-Mädchen, das aber keines ist, weil Ingrid schon immer bei uns gewesen ist, was Außenstehenden merkwürdig vorkommen könnte.
    Aber das Seltsame sind die anderen Familien. Zwei Kinder und im Einklang handelnde Eltern. Normal ist, wo man selbst steht.
    *
    Charles leidet unter Nähe. Unter der Nähe seiner Familie, die ihn hier noch enger umgibt als im relativ geräumigen Allersmead. Unter der Nähe des Meers, die sich für die Beschäftigung mit der Romantik geradezu anbieten sollte, ihm aber keine Hilfe ist. Zu seinem Verdruss fällt ihm ein, dass die meisten der Romantiker eng mit ihrer Familie zusammengelebt und das anscheinend gut verkraftet haben. Hat er etwa ein Problem?
    Das kann man wohl sagen. Das weiß er auch. Er ist ein Mann, den die Familie einfach überrollt hat, unaufhaltsam, wie es schien, und ja, natürlich ist er selbst dafür verantwortlich; er hat diese Sippe gezeugt und liebt sie auch, auf seine

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