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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
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dieser Junge am Strand.
    Katie gibt keinen richtigen Anlass zur Beunruhigung, trotzdem wirkt sie auf ihre Art befremdlich. Sie ist so groß wie Alison, hat einen Busen bekommen und dazu eine eigene, ruhige Entschlossenheit. Alison spürt, dass sie sich nicht mehr sagen lässt, was sie tun soll. Wahrscheinlich hat sie es bereits getan – oder etwas völlig anderes.
    Und Gina. Wie die jetzt redet . Manchmal hat Alison das Gefühl, dass Gina älter ist als sie. Viel klüger. Sie weiß viel mehr. Sie nimmt es mit Charles auf – argumentiert mit ihm, hat eine eigene Meinung. Nicht, dass sie frech wird; sie hat sich einfach zu dieser Person entwickelt. Einer Person, die nur noch entfernt mit dem Kind Gina zu tun hat, einer Person, neben der Alison sich unzulänglich fühlt. Überhaupt fühlt sie sich an den Rand geschoben, muss sich anstrengen, zu Wort zu kommen, gehört zu werden. Es gab eine Zeit, da haben sie sie gebraucht, sogar Gina. Jetzt brauchen sie sie nicht mehr. Sie sind nicht nur unabhängig geworden, sondern rasend schnell auch andere Persönlichkeiten; es gibt Momente, da Alison sie kaum noch wiedererkennt.
    Ingrid.
    Dieser Mann. Es wird doch nicht wieder werden wie damals, oder?
    Dieser Urlaub gerät aus den Fugen. Alison hat die Kontrolle verloren; täglich muss sie gegen Zersetzung von innen, gegen Fremdes von außen kämpfen. Und das nach der ganzen sorgfältigen Planung – Alison hat das Haus schon im Januar gebucht, Listen gemacht, was sie alles mitnehmen müssen, den Volkswagen warten lassen, die Zugtickets besorgt, die Ausflüge zusammengestellt.
    Alison steht am Küchentisch, rollt Teig aus und sieht zu, wie sich der Regen in Rinnsalen die Fensterscheibe hinunterschlängelt und den Hügel drüben zu einer verschwommenen grünen Masse verwischt. Wenn es regnet, weiß man wenigstens, wo alle sind. Paul liegt noch im Bett, der Rest ist in diesem kompromisslos möblierten Wohnzimmer verstreut, hinter wuchtigen Möbeln verschanzt. Gina sitzt mit hochgelegten Füßen auf einem Sofa und liest. Roger hockt mit seinem Naturbuch, seinem Notizbuch und einem der Eimer, die eigentlich draußen bleiben sollten, auf dem Boden. Katie schreibt einen Brief. Sandra lackiert sich die Zehennägel. Clare besetzt das einzige freie Plätzchen im Raum und wackelt zu dem blechernen Gedudel aus dem Walkman herum, den sie von Sandra geliehen hat.
    Charles ist im Schlafzimmer, das ihm auch als Arbeitszimmer dienen muss.
    Ingrid schält an der Spüle Kartoffeln und summt vor sich hin. Das kennt Alison nicht an ihr. Was gibt’s denn da zu summen?
    Alison schneidet einen Teigdeckel zu und legt ihn auf die Form, die schon mit Steak und Nieren gefüllt ist. Sie drückt die Ränder zusammen, klebt in die Mitte eine Teigblume, schneidet ein paar Luftschlitze hinein. Dann wäscht und trocknet sie sich die Hände und nimmt die Schürze ab.
    Sie geht ins Wohnzimmer hinüber, fröhlich, schwungvoll, souverän.
    »Wie wär’s mit einer Runde Scrabble?«
    *
    Alison und Ingrid stehen in der Küche und bereiten die nächste Mahlzeit zu. Alison lässt das Messer fallen, sie wirkt nervös.
    Sie sagt: »Jan ist natürlich reizend, aber was macht er denn eigentlich in London?«
    Ingrid antwortet, dass er studiert.
    Alison zeigt sich überrascht. Sie hatte gedacht, dass er, nun ja, einen Job hätte, schließlich ist er über dreißig, nicht wahr? Aber natürlich gibt es Leute, die ziemlich lange studieren. Was studiert er denn?
    »Er studiert Linguistik«, sagt Ingrid.
    Alison äußert die Vermutung, dass Ingrid ihn, hm, wohl öfter gesehen hat, als sie in London war.
    Ingrid ist in letzter Zeit ziemlich oft nach London gefahren. Angeblich hat sie ein Interesse an Kunst entwickelt und Museen und Galerien besucht.
    Ingrid antwortet unbewegt, ja, sie habe Jan oft gesehen. »Wir gehen gern in Ausstellungen.«
    Hat Linguistik etwas mit Kunst zu tun? Alison beschließt, diese Frage nicht weiterzuverfolgen und sich außerdem heiter und neutral zu geben. »Na, das ist ja schön«, sagt sie. »Haben wir genug Kartoffeln geschält?«
    Jan ist groß und schweigsam. Mit seinem blonden Dreitagebart wirkt er für jemanden, der seinem Studium so ergeben ist, erstaunlich wettergegerbt. Er ist mit einem älteren Motorrad angekommen, auf dem er und Ingrid zu ihren Unternehmungen davonknattern; Ingrid hält sich an einem kleinen Metallbügel vor dem Soziussitz fest. Jan lächelt viel, redet aber wenig. Cornwall ist sehr schön, pflichtet er Alison bei. Ja, er

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