Familienalbum
Familienlebens.«
Alison runzelte die Stirn. » Vernünftige Vorschläge bitte.« Sie wandte sich an Charles. »Was ist mit dir, Schatz? Gibt es etwas, wo du gern hinmöchtest?«
Charles schien tief in Tagträumen versunken. Jetzt tauchte er auf. »Ach ja, die jährlichen Festlichkeiten.« Er warf einen Blick zu Stefan hinüber. »Vielleicht sollte unser Gast das Ziel wählen dürfen.«
Stefan geriet sichtlich in Panik. »Ich glaube nicht …«, setzte er an.
Katie eilte ihm zu Hilfe. »Warum fahren wir nicht in den Zoo von Wipsnade?«
Allgemeines Stöhnen. »Bit–täääh«, sagte Sandra.
Charles richtete wieder das Wort an Stefan. »Du wirst in dieser Familie ein gewisses Fehlen von Übereinstimmung bemerken. Es hat bei uns Tradition, dass ein Ritual stets Anlass zu Zwistigkeiten bietet. Und zu beobachten, wie lange sich das hinziehen kann, wird immer wieder zur Nervenprobe.« Er blickte erwartungsvoll in die Runde.
»Genau, Dad«, brummte Paul. »Rühr den Schlamm nur richtig auf.«
Gina wollte ihn treten, traf stattdessen aber Stefans Schienbein. »Entschuldige«, sagte sie lautlos.
»Vielleicht wäre es schön, an einen Strand zu fahren«, sagte Ingrid. »Zum Schwimmen.«
Alison wedelte mit den Armen. »Still jetzt, alle. Ich hatte gerade eine Eingebung. Maiden Castle – da gibt es genug schöne Grasflächen fürs Picknick, und vorher können wir einen Bummel durch Dorchester machen.«
Allgemeines Schweigen. »Was für ein Castle?«, fragte Sandra dann.
»Maiden Castle musst du doch kennen«, sagte Paul. »Ist doch berühmt für die rituelle Opferung von Jungfrauen im – äh – zwölften Jahrhundert.«
Da mischte Charles sich ein. »Eine kluge Wahl, wenn ich das sagen darf. Verbindet für unseren Gast den historischen Kontext mit dem literarischen. Die Eisenzeit trifft auf den Weisen von Wessex.« Er musterte die Tischrunde. »Alle, die wissen, wovon ich rede, heben die Hand.«
Seine Kinder saßen stumm und mit steinernem Blick da. »Dann steht es also fest«, rief Alison fröhlich. »Es bleibt bei Maiden Castle. Drückt alle die Daumen, dass wir gutes Wetter haben.«
*
Die VW -Bus-Tage waren längst vorüber. Es gab nun zwei Autos, einen älteren Volvo-Kombi, den hauptsächlich Alison fuhr, und einen gleichermaßen angejahrten Vauxhall, der wohl in erster Linie Charles gehörte, doch der hatte zu Autos nicht die geringste Beziehung. Er benutzte den Wagen von Zeit zu Zeit, wusste aber nie, wo die Schlüssel waren, und hatte auch keine Ahnung, wie man das Öl oder den Reifendruck kontrolliert. In den beiden Vehikeln fand bei Gelegenheiten wie dieser (die nun immer spärlicher wurden und immer weiter auseinanderlagen) die ganze Familie Platz. Fünf passten in das eine und vier in das andere, in das sich zur Not ebenfalls noch ein Fünfter quetschen ließ, wie jetzt Stefan.
Erst wurde debattiert, wer auf der etwa eineinhalbstündigen Fahrt nach Dorchester in welchem Auto mitfahren sollte. Charles und Alison legten beide Wert auf einen Beifahrer, der die Karte lesen und Richtungsanweisungen geben konnte, und die einzigen Freiwilligen für diese Aufgabe waren Paul und Gina. Clare wurde im Vauxhall schlecht. Der Vauxhall war das kleinere der beiden Autos, dort mussten die beiden anderen Kleineren mitfahren, also Roger und Stefan, sonst würde es eng. Schließlich formierten sich die beiden Gruppen wie folgt: Gina, Ingrid, Katie und Clare im Volvo, den Alison fuhr; Sandra, Paul, Stefan und Roger im Vauxhall, mit Charles am Steuer. Das Picknick, mehrere Körbe und Kisten, wurde zusammen mit Decken und einigen Klappstühlen hinten in den Volvo gepackt. Das Wetter schien etwas unsicher, aber Alison war optimistisch: »Es wird noch richtig schön, ihr werdet schon sehen.«
Im Vauxhall saß Paul mit der Karte vorn neben Charles; Sandra, Roger und Stefan drängten sich auf dem Rücksitz. Anfangs folgten sie dem Volvo, verloren ihn aber bald bei einem Kreisverkehr. Charles und Paul gifteten sich an, nachdem sie einmal falsch abgebogen und in einer Siedlung gelandet waren. »Ich dachte, wir nehmen mal die Panoramastraße«, flachste Paul fröhlich. Charles fand das nicht komisch: »Und ich dachte, du wärst imstande, eine Karte zu lesen.«
Nach einer halben Stunde verfuhren sie sich ein zweites Mal. »Ich habe links gemeint«, sagte Paul. »Tut mir leid.« Charles schwieg ein paar Sekunden. Dann sagte er: »Du wirst merken, Stefan, dass mein Sohn anscheinend nicht in der Lage ist, rechts und links zu
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