Familienaufstellungen
es also eine objektive Wahrheit in Beziehungen, die allerdings nur für den Augenblick Gültigkeit besitzt. Diese kann man in der Aufstellung »sehen«. Es wird also keine allgemein gültige Wahrheit, sondern eine in diesem Bild konkret sichtbare erkannt, die sich an den Wirkungen ablesen lässt. Aus der Vielzahl der Aufstellungen, in denen sich eine solche Wahrheit zeigt, leitet er eine Lebensweisheit ab, die »Ordnungen der Liebe«, die sich immer wieder aufs Neue bewähren muss.
In der Praxis ergeben sich daraus wesentliche Unterschiede. Therapeuten, die sich an der Methode von Virginia Satir orientieren, betonen die noch nicht entdeckten
Möglichkeiten
im Familiensystem. Sie trauen jeder einzelnen Person und der ganzen Familie zu,
selbst
neue Wege zu finden, um die Beziehungen zu gestalten. Sie ermuntern ihre Klienten, neue Sichtweisen zu entdecken, z.B. indem sie fragen: Was haben die Eltern als Kinder erlebt, dass sie als Erwachsene so wurden, wie sie sind? Sie möchten die Neugierde und Freiheit, letztlich den
Selbstwert
der Klienten steigern und sie dadurch zu neuen Schritten im Leben befähigen. Die Aktivität bei der Lösungssuche liegt hier aufseiten des Aufstellenden. Der Therapeut versteht sich als Begleiter, der dem Klienten bzw. der Familie dabei hilft, seinen bzw. ihren Weg zu finden. Er fokussiert die Problematik und arbeitet gemeinsam mit den Klienten an einer für sie passenden Lösung.
Das Wachstumsmodell basiert auf einem ausgesprochen optimistischen Menschenbild und traut daher den Klienten viel Eigenverantwortung zu. Kritiker wenden ein, dass tiefer gehende Verstrickungen damit nicht gelöst werden könnten, da der Therapeut zu wenig die Führung übernimmt.
Im Zentrum der an Bert Hellinger orientierten Arbeit stehen die
Ordnungen
im Familiensystem. Therapeuten dieser Richtung gehen davon aus, dass schicksalhafte Bindungen das Leben jedes Menschen bestimmen. Sie wollen die Kraft finden, die bisher durch verrückte Grenzen und »blinde Flecken« in der Familiengeschichte in unerklärlichem Chaos gebunden war. Außerdem geben die Therapeuten Strukturen vor, was sich am deutlichsten bei dem Idealbild der Familienaufstellung zeigt. Sie suchen nach der verborgenen
Liebe,
die der ursprüngliche Beweggrund allen Handelns ist.
Durch diese Vorgehensweise verlagert sich die Aktivität während der Lösungssuche stark auf die Seite des Therapeuten. Er arbeitet auf weiten Strecken
für
den, aber nicht
mit
dem Aufstellenden. Weder versucht er, dessen Entwicklung und heutige Sichtweise zu ergründen, noch mit ihm gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten, sondern richtet seine gesamte Aufmerksamkeit auf das »wissende Feld« der Beziehungen. Den letzten, entscheidenden Schritt muss aber auch hier der Aufstellende selber gehen. Seine innere Offenheit und Bereitschaft ist Voraussetzung für einen heilenden Prozess.
Kritiker dieses Ansatzes warnen vor der Gefahr, dass die »Ordnungen der Liebe« dogmatisch ausgelegt und gehandhabt werden. Wenn unreflektiert mit dem Erfahrungswissen umgegangen und nur ein einziger Lösungsweg vorgegeben würde, würden nicht mehr Lebensperspektiven eröffnet, sondern führe dies zu Einschränkungen. Was die Familientherapie der vergangenen fünf Jahrzehnte auszeichnete, ist die Vernetzung neuer Methoden und Erkenntnisse. So wie die Familie als Netzwerk verschiedener Positionen und Sichtweisen verstanden wird, ist auch die Therapie zu sehen. Jede Richtung trägt einen anderen Aspekt zum Verständnis des Ganzen bei. Derzeit werden Sie also auf Therapeuten stoßen, die bei darstellenden Methoden nur mit dem wachstumsorientierten Ansatz arbeiten, andere wiederum schwören auf das Modell Bert Hellingers, und dritte verknüpfen beide Arbeitsweisen. Weitere methodischeAnsätze, auf die ich in diesem Buch nicht eingegangen bin, wie beispielsweise die Hypnotherapie Milton Ericksons oder das Neurolinguistische Programmieren (NLP), fließen ebenfalls unterschiedlich stark mit ein.
Jede Therapeutin und jeder Therapeut entwickelt mit den Jahren einen eigenen Arbeitsstil. Hat er sich mit mehreren Ansätzen vertraut gemacht, kann er die Aktivität dem Klienten überlassen, wenn dieser in der Lage ist, selbst neue Möglichkeiten zu entdecken, und er wird die Führung übernehmen, wenn der Betreffende selbst die Lösung tiefer gehender Verstrickungen nicht mehr wahrnehmen kann.
Jenseits aller methodischen Überlegungen ist für Sie und für die Therapeutin entscheidend, dass der Kontakt
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