Familienbande
haben.«
Jessica und Lockhart fuhren wieder in die Nummer 12 zurück und verbrachten die Woche mit Packen.
»Die Möbel sollten wir am besten mit der Bahn schicken«, sagte Lockhart.
»Aber geht da nicht immer alles mögliche verloren? Denk doch mal dran, was mit Mamis Auto passiert ist.«
»Der Vorteil, meine Liebe, ist der, daß Frachtgüter zwar häufig nicht an ihrem Bestimmungsort eintreffen, sie aber ausnahmslos auch nicht wieder an den Ort zurückkehren, wo sie aufgegeben wurden. Ich vertraue darauf, daß aufgrund dieser Schlamperei niemand herausfindet, wohin wir verschwunden sind.«
»O Lockhart, du bist so gescheit«, sagte Jessica. »Daran hatte ich nicht gedacht. Aber warum adressierst du diese Kiste an Mr. Jones in Edinburgh? Wir kennen gar keinen Mr. Jones in Edinburgh.«
»Meine Liebe«, sagte Lockhart, »den kennt die Eisenbahn genausowenig wie wir, aber ich werde mit einem gemieteten Lkw am Bahnhof sein, um es entgegenzunehmen, und ich
bezweifle sehr, daß uns irgendwer findet.«
»Heißt das, wir werden uns verstecken?« fragte Jessica.
»Nicht verstecken«, sagte Lockhart, »doch da ich als statistisch und bürokratisch nicht existent eingestuft wurde und
daher für jene Zuwendungen nicht in Frage komme, die uns der Wohlfahrtsstaat angeblich zukommen läßt, liegt mir nichts ferner, als dem Staat eine jener Zuwendungen zukommen zu lassen, die wir anhäufen konnten. Kurz gesagt: keinen Penny Einkommensteuer, keinen Penny Kapitalgewinnsteuer, keinen Penny von irgendwas. Mich gibt es nicht, und als Nichtexistenz beabsichtige ich, meinen Lohn einzustreichen.«
»So habe ich das noch gar nicht gesehen«, gab Jessica zu, »aber es stimmt. Gerechtigkeit muß sein.«
»Irrtum«, sagte Lockhart. »Es gibt keine Gerechtigkeit.«
»Aber man sagt doch auch: ‹Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt¤, Liebling«, sagte Jessica.
»Damit stellt man deine erste Redensart auf den Kopf«, sagte Lockhart, »oder man behauptet einfach, daß es keine Regeln gibt, nach denen man sein Verhalten ausrichten sollte. Daraus folgt, daß im Krieg, in der Liebe und bei der Steuerhinterziehung alles erlaubt ist. Stimmt das nicht, Rowdy?«
Der Bullterrier sah auf und wackelte mit seinem Stummelschwanz. Er hatte die Familie Flawse ins Herz geschlossen. Sie schienen die grausamen Eigenschaften mit Wohlwollen zu betrachteten, wegen derer man ihn und seine Bullterrierkollegen gezüchtet hatte, nämlich sich festzubeißen und wie der leibhaftige Tod hängenzubleiben.
So war also das Inventar des Hauses bis zum nächsten Donnerstag gepackt und per Eisenbahn nach Edinburgh verfrachtet worden, um von einem Mr. Jones abgeholt zu werden, und nun blieb nur noch der Bankbesuch, um den Koffer mit den gebrauchten Ein-Pfund-Noten zu füllen. Seine Million hatte Lockhart bereits in der gleichen Form bei seiner Bank in der City abgehoben. Der dortige Direktor war kooperativer gewesen, was hauptsächlich auf Lockharts Erläuterung zurückzuführen war, er brauche das Geld sofort, da er eine kleine Transaktion betreffs Ölquellen mit dem Scheich von Arabien vorhabe, der sein Geld in Münzen haben wollte, vorzugsweise in Fünf-Penny-Stücken. Die Vorstellung, eine Million Pfund in Fünf-Penny-Münzen abzuzählen, hatte den Direktor so erschüttert, daß er sich die größte Mühe gegeben hatte, Lockhart zur Annahme von Ein-Pfund-Scheinen zu überreden. Und Lockhart hatte sich zögernd bereiterklärt, vorausgesetzt, sie seien gebraucht.
»Warum gebraucht?« wollte der Direktor wissen. »Neue Scheine wären doch mit Sicherheit vorzuziehen?«
»Der Scheich ist ein mißtrauischer Mensch«, sagte Lockhart. »Er bat um Münzen, um sicherzugehen, daß er richtiges und kein gefälschtes Geld bekommt. Wenn ich neue Scheine nehme, vermutet er sofort, daß man ihn reinlegen will.«
»Aber er könnte sich doch problemlos bei uns oder der Bank von England erkundigen«, sagte der Banker, der über Britanniens immer schlechter werdenden Ruf in monetären Dingen nicht informiert war.
»Mein Gott«, murmelte er, als Lockhart erklärte, der Scheich handle immer noch nach der alten Maxime, man solle jedes Wort auf die Goldwaage legen, und da das englische Pfund dermaßen an Wert verloren habe, halte er alle Engländer für Lügner, »daß es soweit kommen mußte!«
Aber er hatte die Million Pfund in gebrauchten Scheinen ausgezahlt und war dankbar gewesen, als ihm dieser desillusionierende Kunde den Rücken kehrte.
Der Bankdirektor in East Pursley ließ sich
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