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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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keinen Geschlechtsverkehr mehr geben. Mrs. Flawse hatte sich das fest vorgenommen, und als energische Frau konnte sie genausogut austeilen wie einstecken. So saßen die beiden Seite an Seite und sannen über die Unterwerfung des anderen nach. Den ersten Schock bekam Mrs. Flawse. Kurz nach Wark bogen sie in einen halb mit Schotter bedeckten Weg ein, der durch ein schön bewaldetes Tal zu einem großen, ansehnlichen, von einem großzügigen Garten umgebenen Haus führte. Mrs. Flawses Hoffnungen waren verfrüht.
»Ist dies das Herrenhaus?« fragte sie, als sie auf das Tor zuratterten.
»Keineswegs«, sagte Mr. Flawse. »Hier wohnen die Cleydons.«
Einen Moment lang schien seine gute Laune nachzulassen. Der junge Cleydon war anfänglich ein Kandidat für Lockharts Vaterschaft gewesen, und nur die Gewißheit, daß er während der Monate, die für Lockharts Zeugung in Frage kamen, in Australien gewesen war, hatte verhindert, daß er bis auf einen Zoll an sein Leben gepeitscht worden war.
»Scheint ein hübsches Haus zu sein«, sagte Mrs. Flawse, als ihr der Stimmungswandel ihres Gatten auffiel.
»Aye, ‘s ist besser als seine Bewohner, möge Gott ihre Seelen verrotten lassen«, sagte der Alte. Mrs. Flawse setzte die Cleydons auf die imaginäre Liste von Nachbarn, die er nicht leiden konnte und mit denen sie Umgang pflegen würde. Daß diese Liste voraussichtlich imaginär bleiben würde, dämmerte ihr wenig später. Hinter dem Haus schlängelte sich die Straße aus dem Wald und die steile Flanke eines kahlen Hügels hinauf; anderthalb Kilometer hinter der höchsten Stelle kamen sie an das erste zahlreicher Tore in Bruchsteinmauern. Mr. Dodd kletterte vom Kutschbock und öffnete das Tor. Dann führte er die Kutsche hindurch und schloß es wieder. Mrs. Flawse suchte den Horizont nach einer Spur ihres neuen Zuhauses ab, doch kein Haus kam in Sicht. Hier und da hoben sich ein paar schmutzige Schafe gegen den Schnee ab, doch der Rest war Leere. Mrs. Flawse zitterte.
»Wir haben noch über fünfzehn Kilometer vor uns«, verkündete Mr. Flawse vergnügt. Die nächste Stunde holperten sie über die schlechte Straße, ohne etwas Erfreulicheres zu sehen als ein verlassenes Bauernhaus, umgeben von einer Gartenmauer, Weidenröschen und Brennesseln. Endlich erreichten sie noch ein Tor, hinter dem Mrs. Flawse auf einem Hügel eine von mehreren Häusern umgebene Kirche entdeckte.
»Das ist Black Pockrington«, sagte Mr. Flawse. »Dort wirst du deine Einkäufe tätigen.«
»Dort?« wiederholte Mrs. Flawse schroff. »Bestimmt nicht. Es sieht nicht groß genug aus, um Geschäfte zu beherbergen.«
»Es gibt einen winzigen Laden, und seine Größe verdankt der Ort der Cholera.«
»Cholera?« wiederholte Mrs. Flawse leicht beunruhigt.
»Die Epidemie von 1842 oder um die Zeit herum«, sagte der Alte, »löschte neun Zehntel der Bevölkerung aus. Du findest sie auf dem Friedhof. Schreckliche Sache, die Cholera, aber ohne sie wären wir Flawses schwerlich da, wo wir heute sind.«
Sein unangenehmes Kichern fand bei seiner Frau kein Echo. Sie hatte nicht das geringste Bedürfnis, dort zu sein, wo sie heute war.
»Wir kauften das umliegende Land für ‘n Appel und ‘n Ei«, fuhr Mr. Flawse fort. »Heute heißt es Moor des Toten Mannes.« Von fern erklang das dumpfe Wummern einer Explosion. »Da wirft die Artillerie wieder auf dem Schießplatz das gute Geld des Steuerzahlers zum Fenster raus. Du wirst dich an den
Lärm gewöhnen. Entweder das, oder sie sprengen drüben in den Steinbrüchen von Tombstone Law.«
Mrs. Flawse zog ihre Reisedecke enger um sich. Bereits die Namen flößten ihr Furcht ein.
»Und wann erreichen wir Flawse Hall?« fragte sie, um ihre Angst zu verscheuchen. Der Alte konsultierte eine große goldene Sprungdeckeluhr.
»In etwa einer halben Stunde«, sagte er, »gegen halb vier.«
Mrs. Flawse starrte aus dem Fenster, immer aufmerksamer nach den Häusern von Nachbarn Ausschau haltend, doch es waren keine zu sehen, nur die unveränderte Weite des offenen Hochlandes und gelegentlich ein Fels auf den Gipfeln der Hügel. Während sie ihren Weg fortsetzten, frischte der Wind auf. Schließlich kamen sie zu der nächsten Mauer mit Tor, und Mr. Dodd stieg wieder ab.
»Das Herrenhaus liegt dort drüben. Einen besseren Blick bekommst du nicht«, sagte der Alte, als sie durch das Tor fuhren. Mrs. Flawse wischte über das beschlagene Fenster und spähte hinaus. Was sie von dem Haus sehen konnte, auf das sie so großen Wert gelegt hatte,

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