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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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nicht«, sagte sie zum Vergnügen des alten Mannes.
»Es sind Flawsehunde«, antwortete er, als ein riesiges Monstrum hochsprang und mit heraushängender Zunge das Fenster vollsabberte. »Von mir persönlich aus bester Rasse gezüchtet. Des Frühlings Hunde sind dem Winter auf der Spur, wie es der große Swinburne formulierte, und man wird schwerlich Jagdhunde finden, die jeder Spur frühlings wie winters so folgen wie diese Bestien. Zwei Drittel Pyrenäenhund wegen seiner Wildheit und Größe, ein Drittel Labrador wegen seines Geruchssinns und der Fähigkeit, zu schwimmen und zu apportieren. Und schließlich ein Drittel Greyhound wegen seiner Schnelligkeit. Was ergibt das, Ma‘am?«
»Vier Drittel«, sagte Mrs. Flawse, »was absurd ist. Es gibt keine vier Drittel von irgendwas.«
»Ach ja?« sagte Mr. Flawse, dessen Augen angesichts des Widerspruchs nun nicht mehr stolz, sondern irritiert glitzerten. »Dann lassen wir doch einen hereinkommen, damit du ihn dir ansehen kannst.«
Er öffnete die Tür, und sofort sprang einer der großen Mischlinge in die Kutsche und schlabberte sein Gesicht ab, bevor er seine orale Aufmerksamkeit dem neuen Frauchen schenkte.
»Nimm das widerliche Biest weg. Verschwinde, du Mistviech«, schrie Mrs. Flawse, »hör sofort damit auf. Oh mein Gott ...«
Zufrieden, daß er sich verständlich gemacht hatte, schickte Mr. Flawse den Hund mit einem Klaps aus der Kutsche und schmiß die Tür zu. Dann wandte er sich seiner Frau zu. »Du wirst mir doch bestimmt zustimmen, daß er mehr als drei hündische Drittel Wildheit enthält, meine Liebe«, sagte er grimmig, »oder möchtest du noch einen aus der Nähe betrachten?«
Mrs. Flawse sah ihn sich sehr genau an und verneinte.
»Dann widersprecht mir nicht, was eugenische Fragen anbelangt, Ma‘am«, sagte er und rief Mr. Dodd zu, er solle weiterfahren. »Ich habe genaue Studien zu diesem Thema angestellt und lasse mir nicht nachsagen, ich hätte unrecht.«
Mrs. Flawse behielt ihre Gedanken für sich. Es waren keine angenehmen Gedanken, aber sie würde sie behalten. Die Kutsche fuhr zur Hintertür und hielt an. Durch ein Meer von Hunden bahnte sich Mr. Dodd einen Weg.
»Schaff sie aus dem Weg, Mann«, schrie Mr. Flawse durch das Gebell. »Die Gattin hat Angst vor den Biestern.«
Im nächsten Moment hatte Mr. Dodd die Jagdhunde dank des Einsatzes seiner Pferdepeitsche soweit eingeschüchtert, daß sie sich auf die andere Seite des Hofs verzogen. Mr. Flawse stieg aus und bot Mrs. Flawse seine Hand an. »Von einem Mann meines Alters kannst du nicht erwarten, daß er dich über die Türschwelle trägt«, sagte er galant, »aber Dodd wird für mich einspringen. Dodd, tragen Sie Ihre Herrin.«
»Es besteht absolut keine Veranlassung ...«, hub Mrs. Flawse an, aber Mr. Dodd war dem Befehl nachgekommen, und so starrte sie aus geringer Entfernung, als ihrem Seelenfrieden zuträglich war, in sein lüstern grinsendes Gesicht, während er sie an sich gedrückt ins Haus trug.
»Danke, Dodd«, sagte Mr. Flawse, der ihnen folgte. »Der Brauch wurde befolgt. Setz sie ab.«
Einen entsetzlichen Moment lang wurde Mrs. Flawse noch enger umfaßt, und Dodds Gesicht näherte sich dem ihren, doch dann ließ er los und stellte sie in der Küche auf die Füße. Mrs. Flawse rückte ihr Kleid zurecht, ehe sie sich umsah.
»Ich hoffe, es behagt dir hier, meine Liebe.«
Dem war nicht so, doch Mrs. Flawse schwieg. Hatte Flawse Hall schon von außen trostlos, kahl und unendlich abstoßend ausgesehen, so war die mit großen Steinfliesen ausgelegte Küche reinstes Mittelalter. Zwar hing über dem steinernen Spülbecken ein Hahn, der auf fließendes, wenn auch kaltes Wasser hindeutete, und der eiserne Herd stammte aus einer späteren Phase der industriellen Revolution; doch kaum etwas anderes war auch nur andeutungsweise modern. In der Zimmermitte stand ein kahler, von zwei Bänken flankierter Holztisch, und neben dem Herd gab es zwei Sitzgelegenheiten mit hohen Rückenlehnen.
»Ruhebänke«, erklärte Mr. Flawse, als Mrs. Flawse sie fragend musterte. »Dodd und der Bastard benutzen sie abends.« »Der Bastard?« sagte Mrs. Flawse. »Welcher Bastard?« Doch diesmal war es an Mr. Flawse, zu schweigen. »Ich zeige dir das übrige Haus«, sagte er und führte sie durch einen Flur.
»Wenn es auch nur im entferntesten der Küche ähnelt ...«, setzte Mrs. Flawse an, doch da irrte sie sich. So trostlos und kahl die Küche auch war, so entsprach doch das übrige Herrenhaus ihren Erwartungen:

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