Familienbande
vollgestopft mit edlen Möbeln, Wandteppichen, großen Porträtgemälden und den Habseligkeiten zahlreicher Generationen und ebenso vieler Ehen. Als sie unter der geschwungenen Treppe stand und sich umsah, seufzte Mrs. Flawse erleichtert auf. Mit Mr. Flawse hatte sie nicht nur einen senilen Mann, sondern auch ein Vermögen an antiken Möbeln und edlem Silber geheiratet. Und von jeder Wand blickte aus alten Porträts ein Flawsesches Gesicht auf sie herab, perückentragende Flawses, uniformierte Flawses und Flawses in prachtvollen Westen, doch das Flawsesche Gesicht blieb immer gleich. Nur in einer Ecke entdeckte sie ein kleines düsteres Porträt eines Mannes, der sich nicht eindeutig als ein Flawse identifizieren ließ.
»Murkett Flawse, wurde leider posthum gemalt«, sagte der Alte.
Mrs. Flawse musterte das Porträt genauer. »Seinem Aussehen nach muß er aber eines merkwürdigen Todes gestorben sein.«
Mr. Flawse nickte. »Enthauptet, Ma‘am, und ich kann mir denken, daß dem Scharfrichter an jenem Morgen vom Saufen der Schädel brummte und er öfter zuschlug, als von rechts wegen erforderlich gewesen wäre.«
Mrs. Flawse zog sich von dem schaurigen Porträt Murkett Flawses zurück, und gemeinsam schritt das Paar die Zimmer ab. In jedem gab es etwas zu bewundern und, was Mrs. Flawse betraf, zu taxieren. Als sie schließlich wieder im Hausflur ankamen, war sie überzeugt, daß es doch kein Fehler gewesen war, den alten Trottel zu nehmen.
»Und dies ist mein Allerheiligstes«, sagte Mr. Flawse und öffnete eine Tür links vom Eingang. Mrs. Flawse ging hinein. Im Kamin brannte ein riesiges Kohlenfeuer, und im Gegensatz zum übrigen Haus, das ausgesprochen feucht und muffig gewirkt hatte, war das Arbeitszimmer warm und roch nach ledernen Bucheinbänden und Tabak. Auf dem Teppich vor dem Kamin räkelte sich eine alte Katze, und an jeder Wand glänzten Bücher im Feuerschein. In der Mitte des Raums stand ein Schreibtisch mit einer Kuhle für die Knie, darauf eine grünbeschirmte Lampe und ein silbernes Tintenfaß. Mrs. Flawse ging zu der Lampe, um sie einzuschalten, und fand einen Griff.
»Du brauchst ein Streichholz«, sagte Mr. Flawse, »wir sind nicht ans Elektrizitätsnetz angeschlossen.«
»Ihr seid nicht ...«, setzte Mrs. Flawse an und brach ab, als ihr die volle Bedeutung dieser Bemerkung aufging. Welche Schätze aus altem Silber und edlen Möbeln Flawse Hall auch immer beherbergen mochte, ohne Strom barg das Herrenhaus für Mrs. Flawse keine bleibenden Attraktionen. Kein Strom bedeutete vermutlich keine Zentralheizung, und der eine Hahn über der steinernen Spüle hieß lediglich kaltes Wasser. Vor den
Jagdhunden geschützt und im Allerheiligsten ihres Gatten, beschloß Mrs. Flawse, die Zeit zum Zuschlagen sei gekommen. Sie ließ sich in den großen Ledersessel mit hoher Rückenlehne neben dem Kamin fallen und funkelte ihren Mann an.
»Allein der Gedanke, mich hierherzuschleppen und zu erwarten, daß ich in einem Haus ohne Strom, heißes Wasser und jeglichen Komfort ...«, begann sie schrill, während sich der alte Mann beugte, um im Kamin einen Fidibus zu entzünden. Mr. Flawse drehte ihr sein unverkennbar zorngerötetes Gesicht zu. Der Fidibus in seiner Hand brannte nieder, was Mr. Flawse ignorierte.
»Weib«, sagte er leise und mit stählernem Klang, »du wirst lernen, mich nie wieder in diesem Ton anzusprechen.« Er richtete sich auf, doch Mrs. Flawse ließ sich nicht einschüchtern.
»Und du wirst lernen, mich nie wieder ‹Weib¤ zu nennen«, sagte sie trotzig, »und glaub ja nicht, du kannst mich herumschubsen, das dulde ich nämlich nicht. Ich bin sehr wohl in der Lage ...«
Sie wurden von Mr. Dodd unterbrochen, der mit einem silbernen Tablett eintrat, auf dem eine Teekanne unter einer Haube stand. Mr. Flawse bedeutete ihm, er möge es auf dem niedrigen Tisch neben ihrem Stuhl absetzen, und erst als Mr. Dodd das Zimmer verlassen und die Tür leise hinter sich geschlossen hatte, brach der Sturm erneut los, und zwar gleichzeitig.
»Ich sagte, daß ich ...«, fing Mrs. Flawse an.
»Weib«, brüllte Mr. Flawse, »ich werde nicht ...«
Doch ihr Gleichklang brachte sie beide zum Schweigen, und so saßen sie am Feuer und starrten einander grimmig an. Mrs. Flawse beendete die Pause als erste, und zwar mit einer List.
»Es ist ganz einfach«, sagte sie, »wir brauchen uns überhaupt nicht zu streiten. Wir installieren eben einen Stromgenerator. Du wirst merken, daß er dir das Leben ungeheuer erleichtert.«
Doch
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