Familienbande
ihrem Rat, was ihm sehr gut bekam. Mrs. Flawse mischte den Port mit Brandy, und Mr. Flawse, der eine präzise Nase für Wein hatte, erkannte die Zutat und gratulierte ihr zu ihrem Erfindungsreichtum. »Bekommt dadurch einen volleren Geschmack«, erklärte er. »Frage mich, wieso ich nicht selbst drauf gekommen bin. Deutlich voller.«
Im stillen fluchte Mrs. Flawse, mußte ihm aber recht geben. Portwein mit mehr Brandy als üblich hatte einen volleren Geschmack. Andererseits wurde auch ihre Figur immer voller, und ihre Kleider sahen aus, als gehörten sie einer anderen. Für Mr. Flawse war ihr größerer Umfang eine Quelle des Vergnügens, und er machte gegenüber Mr. Dodd unpassende Bemerkungen über Brüste, Hintern und daß breite Weibchen am besten im Bett seien. Und die ganze Zeit über spürte Mrs. Flawse, wie Mr. Dodd seinen schiefen Blick nicht von ihr wandte. Das störte sie, und Mr. Dodds Collie auch, der die unangenehme Eigenheit hatte, immer dann zu knurren, wenn sie ihm zu nahe kam.
»Ich wünschte, Sie würden dieses Biest aus der Küche entfernen«, sagte sie gereizt zu Mr. Dodd.
»Aye, und mich am besten gleich mit«, entgegnete Mr. Dodd. »Wenn ich nicht mehr zum Stollen runterginge, um Kohle zu holen, könnten Sie sich schwerlich warmhalten. Wenn Sie mich nicht mehr in der Küche haben wollen, hol‘n Sie sich Ihre Kohle gefälligst selber.«
Mrs. Flawse hatte nicht die Absicht, im Stollen nach Kohle zu graben, und sagte dies auch. »Dann bleibt der Hund«, sagte Mr. Dodd.
Mrs. Flawse nahm sich fest vor, dafür zu sorgen, daß der Hund verschwand, aber Mr. Dodds Angewohnheit, das Biest selbst zu füttern, verhinderte, daß sie ihm gemahlenes Glas in sein Futter mischte. Alles in allem war es für Mrs. Flawse ein nervenaufreibender Sommer, und sie ertappte sich dabei, daß sie sich, wie es sonst nicht ihre Art war, nach dem kommenden trostlosen Winter sehnte. Dann würde sie mehr Gelegenheit haben, es im Herrenhaus ungemütlich zu machen.
Dies war Lockhart in Sandicott Crescent bereits gelungen. Nachdem er Little Willie, den Dackel der Pettigrews, in ein Leben nach dem Tode befördert hatte, an dessen Existenz die Wilsons nun nicht mehr zweifelten, konnte er sich auf seinen einsamen Expeditionen ungestörter durch die Gärten und das Vogelschutzgebiet bewegen. Mr. Grabble, dessen Frau er in Mr. Simplons Armen hatte liegen sehen, war der
Europamanager einer Elektronikingenieurfirma und weilte oft im Ausland. Während seiner Abwesenheit hielten Mrs. Grabble und Mr. Simplon das ab, was Lockhart ihre Schäferstündchen nannte. Mr. Simplon ließ sein Auto zwei Straßen weiter stehen und ging zum Haus der Grabbles; nach dem Schäferstündchen ging er zum Wagen zurück und fuhr nach Hause zu Mrs. Simplon in Nummer 5. Weitere Erkundungen ergaben, daß Mr. Grabble für Notfälle eine Adresse in Amsterdam hinterlassen hatte, unter der er immer erreichbar war. Dies entdeckte Lockhart einfach dadurch, daß er die Haustür von Nummer 2 mit dem Schlüssel des verstorbenen Mr. Sandicott öffnete und das Arbeitszimmer samt Telefonverzeichnis der Grabbles durchsah. Folglich unterzog er sich an einem heißen Juninachmittag der Mühe, Mr. Grabble in Amsterdam ein Telegramm zu schicken, in dem er diesem empfahl, umgehend nach Hause zurückzukehren, da seine Frau schwer erkrankt sei, und zwar so schwer, daß sie nicht außer Haus gebracht werden könne. Als er mit dem Namen eines fiktiven Arztes unterzeichnet hatte, erkletterte Lockhart in aller Ruhe einen Telefonmast im Vogelschutzgebiet und durchtrennte fein säuberlich die Leitung zum Haus der Grabbles. Anschließend ging er nach Hause und trank ein Täßchen Tee, bevor er bei Einbruch der Dunkelheit hinausging und sich an die Straßenecke begab, wo Mr. Simplon sein Auto abzustellen pflegte. Dort stand das Auto.
Es stand nicht mehr da, als Mr. Grabble fünfundzwanzig Minuten später, aus Sorge um seine Frau in einem verwegeneren Fahrstil, als ihr Verhalten rechtfertigte und die anderen Verkehrsteilnehmer verdienten, durch East Pursley raste und in Sandicott Crescent einfiel. Es stand nicht mehr da, als Mr. Simplon, nackt und seine ehemals intimen Körperteile mit den Händen bedeckend, den Fahrweg der Grabbles hinunterhastete und hektisch um die Ecke bog. Es stand in der Simplonschen Garage, wo Lockhart es mit einem fröhlichen Hupen abgestellt hatte, um Mrs. Simplon das Eintreffen ihres Mannes anzukündigen, bevor er zum Golfplatz hinüber und gemächlich weiter zu
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