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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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berühmtberüchtigten Zigeunersippe, war immerhin so großzügig gewesen, dessen Witwe zu ehelichen und für die Kinder zu sorgen. Bischof Flawse wiederum, der während der Herrschaft von Maria der Blutigen wegen seines Abfalls von Rom auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war, hatte sich mit der vernünftigen Begründung geweigert, sich einen von seinem Bruder mitgebrachten Beutel Schießpulver um den Hals binden zu lassen, dies sei Verschwendung, und man solle es besser zu gegebener Zeit dazu verwenden, Musketen in die Körper verfluchter Papisten zu feuern. Diese praktische Ader bewunderte Mr. Flawse an seinen Ahnen am meisten, da sie bewies, daß diese, wie auch immer sie endeten, keine Zeit mit Selbstmitleid vergeudet, sondern einen unbeugsamen Willen an den Tag gelegt hatten, sich nichts bieten zu lassen. So hatte Henker Flawse, im vierzehnten Jahrhundert persönlicher Scharfrichter des Herzogs von Durham, als die Zeit gekommen war und er seinen eigenen Kopf auf den Block legen sollte, sich zuvorkommend erboten, seinem Nachfolger das Beil zu schärfen, eine so großzügige Geste, daß man es ihm nicht verwehren konnte; was zum Tode des neuen Henkers sowie von fünfzehn Mann Leibwache, fünfundzwanzig Umstehenden und des Herzogs persönlich geführt hatte, die sämtlich kopflos dalagen, während Henker Flawse sein berufliches Können zu privatem Nutzen einsetzte und auf dem herzoglichen Roß enteilte, um den Rest seiner Tage als Gesetzloser unter den Moosräubern von Redesdale zu verbringen.
Den alten Mr. Flawse entzückte dieser Bericht ebenso, wie ihn die Verse entzückten, die den Flawseschen Bänkelsängern im Blut gelegen hatten. Sänger Flawse war für seine Lieder weithin bekannt gewesen, und Mr. Flawse ertappte sich dabei, wie er halb unbewußt die erste Strophe der »Ballade ohne Schwanz« aufsagte, die der Sänger, wie einige Experten behaupteten, unter dem Galgen von Edson anläßlich seiner Hinrichtung durch Hängen, Rädern und Vierteilen komponiert hatte, weil er sich hatte verleiten lassen, zu Lady Fleur, Sir Oswald Capheughtons Frau, ins Bett zu steigen, als der edle Herr nicht nur in selbigem Bett, sondern gleichzeitig auch in ihr weilte. Daß der Sänger Flawse in Sir Oswald eindrang, hatte zu der als Verknotung aller Beteiligten bekannten Reaktion geführt, und es hatte der vereinten Bemühungen von zwölf Dienern bedurft, um Sir Oswald aus Lady Fleur zu wuchten, während die Fähigkeiten des örtlichen Barbiers und Chirurgen ausgereicht hatten, um die Verbindung zwischen Sir Oswald und seinem Sänger zu durchtrennen. Zu seiner anschließenden Vierteilung hatte sich der Eunuch Flawse relativ frohgelaunt und mit einem Lied auf den Lippen begeben.
     
    Ich weiß nicht wo meine Organe sind
    Wenn ich im Bett lieg ich Tropf
    Also hängt mich lieber verkehrt auf geschwind
    Statt an meinem leeren Kopf.
    Hätt wissen müssen es könnt Fleur nicht sein
    Die so nach Schweiße roch
    Denn sie war immer hold und rein
    Und immer feucht ihr Loch.
    Doch Oswald stank nicht nur dann und wann
    Nach Pferd und Dung und Hund
    Und als ich das Aroma zu durchdringen begann
    Bot sein Loch sich meinem Spund.
    Nun hängt mich denn von Eisdons Tann‘
    Und reißt die Gedärme mir raus
    Damit alle Welt es sehen kann
    Ohne was ich mußt kommen aus.
    Doch eh‘ ihr mir‘s Herz aus dem Leibe nehmt
    Wartet bis die Zeit ein wenig verrinnt
    Zuerst ihr Oswalds Arsch aufstemmt
    Dann mir meinen Schwanz zurückbringt.
    Drum Schwänze hin und Schwänze her
    Mir ist all das kein Genuß
    Ich kann‘s kaum erwarten: sterben soll er
    Bevor ich pissen muß.
    Mr. Flawse fand das Poem zwar plump, aber ermutigend. Er wußte genau, wie sich der Bänkelsänger gefühlt hatte; er selbst litt in letzter Zeit an der Prostata. Am meisten Vergnügen bereitete ihm der grantige Frohsinn dieser Strophen. Die Flawses mochten Diebe und Wegelagerer, Mörder und Moosräuber gewesen sein œ woran kein Zweifel bestand œ, sogar Heilige und Bischöfe, doch welchen Beruf auch immer sie ausgeübt hatten, sie hatten den Teufel verlacht und das Schicksal verhöhnt; weniger das Christentum war ihre Religion gewesen als die eigene Ehre. Einen Flawse einen Lügner zu nennen, bedeutete sterben oder sich auf einen Kampf auf Leben und Tod einlassen, und ein Flawse, der vor einer Widrigkeit zurückschreckte, wurde von der Familie verstoßen, war ein Namen- und Samenloser, wie es früher hieß.
Doch hinter Mr. Flawses Ahnenforschung steckte mehr als bloßes Interesse

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