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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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hoppelte. »Mir hat jemand telefonisch mitgeteilt, Mrs. Artoux habe der Schlag getroffen.«
Das Wort war zuviel für Mr. Raceme. »Schlag?« brüllte er gedämpft durch Kissen und Matratze, die sein Gesichtsfeld einengten. »Was zum Teufel meinst du mit Schlag?«
Das wußte Lockhart draußen genau. Seine patentierte Pferdepeitsche war auch ohne Bleigewichte an den Lederriemen schlagkräftig genug.
»Eins laß dir gesagt sein«, kreischte Mrs. Raceme, »wenn du glaubst, ich hätte dir das angetan, dann bist du übergeschnappt.« Das war Mr. Raceme. Gehemmt durch das Bett und
wahnsinnig vor Schmerzen, warf er sich quer durchs Zimmer in Richtung ihrer Stimme, wobei er die Frisierkommode umriß, hinter der Mrs. Raceme sich verbarg, schoß, alles vor sich herschiebend, Frisierkommode, Bett, Nachttischlampe und Teetischchen, von Mrs. Raceme ganz zu schweigen, durch die Vorhänge des Verandafensters, zerschmetterte die Doppelfenster und stürzte unten auf das Blumenbeet. Dort mischten sich seine Schreie mit denen von Mrs. Raceme, die von den Doppelfenstern und einem Rosenstrauch in ziemlich dem gleichen Körperteil wie er zerschnitten worden war.
Lockhart zögerte, begab sich dann aber doch in das Vogelschutzgebiet, und als er sich leise auf Nummer 12 zubewegte, übertönten bereits Polizeisirenen das Geschrei und Gebrüll der Racemes. Die Pettigrews hatten wieder einmal ihr soziales Gewissen sprechen lassen und die Polizei verständigt.
»Was um alles in der Welt war das für ein Lärm?« erkundigte sich Jessica, als er aus der Garage kam, wo er seine Pferdepeitsche deponiert hatte. »Das klang ja, als wäre jemand durch ein Gewächshausdach gefallen.«
»Wir haben wirklich merkwürdige Mieter«, sagte Lockhart, »offenbar geraten sie sich ständig in die Haare.«
Jedenfalls waren sich Mr. und Mrs. Raceme in die Haare geraten, und die Polizisten fanden ihre mißliche Lage höchst eigenartig. Mr. Racemes schwer gezeichnetes Hinterteil und die Kapuze erleichterten eine rasche Identifizierung nicht gerade, doch am meisten faszinierte sie, daß er immer noch ans Bett gefesselt war.
»Verraten Sie mir eins, Sir«, sagte der Sergeant, der sofort nach seinem Eintreffen einen Krankenwagen anforderte, »ziehen Sie sich vor dem Einschlafen immer Kapuzen über den Kopf?«
»Kümmern Sie sich verflucht nochmal um Ihre eigenen Angelegenheiten«, schlug ihm Mr. Raceme törichterweise vor. »Ich frage Sie nicht, was Sie in Ihren eigenen vier Wänden treiben, und Sie haben kein Recht, mich auszufragen.«
»Nun, Sir, wenn das Ihre Einstellung ist, wird unsere Einstellung die sein, daß Sie einen Polizeibeamten in Ausübung seiner Pflichten beschimpft und Drohungen gegen die Person Ihrer Frau ausgestoßen haben.«
»Und was ist mit meiner Person?« schrie Mr. Raceme. »Sie scheinen zu übersehen, daß sie mich verdroschen hat.«
»Das haben wir keineswegs übersehen, Sir«, entgegnete der Sergeant, »die Lady hat offensichtlich hervorragende Arbeit geleistet.«
Daß ein Wachtmeister nach einer Untersuchung des Racemeschen Schlafzimmers nun einen Haufen Ruten, Peitschen, Knüppel und neunschwänziger Katzen anschleppte, bestätigte nur den Verdacht der Polizei, Mr. Raceme habe lediglich das bekommen, was er verdiente. Ihre ganze Sympathie galt seiner Frau, und als Mr. Raceme sie erneut anzugreifen versuchte, verzichteten sie auf Handschellen und trugen ihn samt Bett und Bettzeug in die Grüne Minna. Mrs. Raceme wurde in einem Krankenwagen weggefahren. Der in einem Streifenwagen folgende Sergeant war ehrlich verdutzt.
»In dieser Gegend gehen mächtig seltsame Dinge vor«, sagte er zu dem Fahrer. »Wir sollten den Sandicott Crescent von nun an besser im Auge behalten.«
Seit dieser Nacht war am unteren Ende des Straßenzugs ein Polizeiauto postiert, dessen Anwesenheit Lockhart zwang, eine neue Taktik zu entwickeln. Er hatte bereits über die Verwendung der Kanalisation nachgedacht, und die Polizei verschaffte ihm den nötigen Anreiz. Zwei Tage später kaufte er einen Neoprenanzug und eine Sauerstoffmaske, hob, wobei er sich der detaillierten Pläne des verstorbenen Mr. Sandicott vom Wasser- und Kanalisationsnetz des Straßenzugs bediente, den Gullydeckel gegenüber von seinem Haus hoch, stieg die Leiter hinab und schloß den Deckel wieder. Im Dunkeln knipste er
seine Taschenlampe an und ging los, unterwegs auf die Einleitungen von jedem einzelnen Haus achtend. Es war ein großer Abwasserkanal, der ihm ganz neue Einblicke in die

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