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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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sagte sie und rauschte wie gewohnt über den Flur in die Küche, »ich dachte, es würde Sie interessieren ...«
Ganz gleich, was die Misses Musgrove interessiert hätte, Mrs. Truster war entsetzt über das sich ihr bietende Schauspiel. Maud Musgrove hielt in der einen Hand einen überdimensionalen, anatomisch korrekt gestalteten Penis, in der anderen etwas, das wie eine Spritztüte für Kuchenguß aussah. Mrs. Truster glotzte das Ding mit weit aufgerissenen Augen an. Schlimm genug, daß ihr Mann vermutlich homosexuell war; aber mit absoluter Gewißheit herauszufinden, daß ausgerechnet die Misses Musgrove Lesben waren, die kleine kulinarische Leckereien mit riesigen sexuellen kombinierten, war mehr, als ihr armer Verstand verkraften konnte. Einen Moment lang drehte sich das Zimmer, dann sackte sie auf einen in der Nähe stehenden Stuhl.
»Lieber Gott, Herr im Himmel«, jammerte sie und öffnete die Augen. Das schauderhafte Ding war immer noch da, und aus seiner ... wie auch immer man die Öffnung eines Gummipenis nennen mochte ... troff ... »Herrgott«, sagte sie, den Namen des Allmächtigen noch einmal mißbrauchend, bevor sie sich einer angemesseneren Ausdrucksweise befleißigte, »was zum Teufel geht hier vor?«
Diese Frage machte den Misses Musgrove klar, in welch katastrophaler gesellschaftlicher Situation sie sich befanden.
»Wir wollten bloß ...«, setzten sie im Chor an, als der Gummipenis ihnen die Antwort abnahm. Da Miss Maud sich auf den Bedienungsmechanismus gesetzt hatte, schwoll der Kunstpenis an, vibrierte, schwang auf und ab und erfüllte haargenau die Versprechungen seines Herstellers. Mrs. Truster starrte das scheußliche Ding an und mußte mitansehen, wie es rotierte, wuchs und die künstlichen Adern an seinem Schaft hervortraten.
»Anhalten, verflucht noch mal, halten Sie das abgefuckte Ding an«, schrie sie, durch das Ausmaß ihres Schreckens ihre gesellschaftliche Position vergessend. Miss Maud gab sich alle Mühe. Sie rang mit dem Monstrum und versuchte verzweifelt, sein Zucken zu beenden. Das gelang ihr nur allzugut. Der Gummipenis hielt, was er versprach, und spie wie ein erstklassiger Feuerlöscher einen Viertelliter Eiweiß mit Schlagsahne durch die Küche. Nach dieser bemerkenswerten Leistung erschlaffte er allmählich. Das gleiche galt auch für Mrs. Truster. Sie rutschte von ihrem Stuhl auf den Boden, wo sie sich zu dem ehemaligen Inhalt des Gummischwengels gesellte.
»Ojemine, was machen wir nun?« wollte Miss Mary wissen. »Sie hat doch hoffentlich keinen Herzanfall, oder?«
Sie kniete neben Mrs. Truster und fühlte ihren Puls. Er ging sehr schwach.
»Sie stirbt«, jammerte Miss Mary, »wir haben sie umgebracht!«
»Quatsch«, widersprach Miss Maud nüchtern und legte den schlaffen Gummipenis auf die Ablage neben der Spüle. Doch neben Mrs. Truster kniend, mußte sie zugeben, daß deren Puls gefährlich schwach war.
»Dann müssen wir es eben mit Mund-zu-Mund-Beatmung versuchen«, sagte sie, und gemeinsam hoben sie die Pfarrersfrau
auf den Küchentisch. »Wie?« fragte Mary. »So«, sagte Maud, die an einem Erste-Hilfe-Kurs
teilgenommen hatte, und widmete ihr Wissen und ihren Mund Mrs. Trusters Wiederbelebung. Damit hatte sie sofort Erfolg. Als Mrs. Truster aus ihrer Ohnmacht erwachte, war Miss Maud Musgrove gerade dabei, sie leidenschaftlich zu küssen, was von der sexuellen Richtung her nur zu gut zu den bereits von ihr beobachteten widernatürlichen Neigungen der beiden Jungfern paßte. Mit aus den Höhlen tretenden Augen befreite sich Mrs. Truster und schrie mit dank Miss Mauds Aktivitäten gekräftigtem Atem aus voller Kehle. Und wieder einmal hallte Sandicott Crescent vom Gekreisch einer hysterischen Frau wider.
Diesmal brauchten die Pettigrews die Polizei nicht zu verständigen. In Windeseile stand der Streifenwagen vor der Haustür, die Polizisten öffneten diese, nachdem sie die Scheibe in dem Fenster daneben zerdeppert hatten, und schwärmten durch den Flur in die Küche aus. Mrs. Truster kreischte immer noch, zusammengekauert auf der anderen Seite des Raums liegend, während auf dem Abtropfbrett neben ihr, ein zweites Mal durch Miss Maud motiviert, die sich wieder auf den Bedienungsmechanismus gesetzt hatte, langsam anschwellend und tröpfelnd der gräßliche Gummipenis lag.
»Lassen Sie nicht zu, daß sie mit diesem Ding in meine Nähe kommen«, schrie Mrs. Truster, als man sie aus dem Haus
geleitete, »sie haben versucht ... oh Gott ... und geküßt hat sie mich

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