Familienbande
aus.«
Seine Augen verloren ihren stieren Glanz, und er machte sich wieder an der Kanalisation zu schaffen. Oben packte Mrs. Wilson hektisch ihre Sachen, und als Mr. Wilson nach Hause kam, war sie schon verschwunden. Auf dem Küchentisch lag ein beinahe unleserlicher Zettel in ihrer zittrigen Handschrift des Inhalts, sie sei zu ihrer Schwester gefahren, und wenn er klug sei, würde er ebenfalls sofort abreisen. Mr. Wilson verfluchte seine Frau, die Alphabettafel und den Gestank, wollte sich aber als robustere Natur nicht einschüchtern lassen.
»Verflucht will ich sein, wenn ich mich aus meinem eigenen Haus jagen lasse«, murmelte er, »Geist hin, Geist her.« Als er dann nach oben ging, um ein Bad zu nehmen, hing von dem Sparren des im Peusotudorstil erbauten Schlafzimmers ein Strick samt Schlinge. Mr. Wilson starrte ihn entsetzt an und mußte an die Mitteilung seiner Frau denken. Ebenso beunruhigend war der Gestank im Schlafzimmer. Lockhart hatte Teile des verwesenden Willie im Kleiderschrank verteilt, und als Mr. Wilson angeekelt neben dem Bett stand, hörte er wieder die bereits bekannte Stimme, aber diesmal näher und noch überzeugender: »Am Stricke baumelnd bis der Tod tritt ein, heut nacht wird das Grab deine Bettstatt sein.«
»Das wird es verdammt noch mal nicht«, verkündete Mr. Wilson mit zitternder Stimme, packte ebenfalls seine Sachen und verließ das Haus, hielt aber kurz vor Nummer 12, um Jessica die Schlüssel zu überreichen und zu kündigen. »Wir verschwinden auf Nimmerwiedersehn«, sagte er, »in diesem verfluchten Haus spukt es.«
»Das kann ich mir nicht denken, Mr. Wilson«, widersprach Jessica, »es riecht nur unangenehm, aber wenn Sie wirklich ausziehen, würden Sie mir das bitte schriftlich geben?«
»Morgen«, versprach Mr. Wilson, der nicht länger als nötig bleiben wollte.
»Sofort«, sagte Lockhart und tauchte mit einem Formular in der Hand aus dem Flur auf.
Mr. Wilson stellte seinen Koffer ab und unterschrieb ein Dokument, das besagte, daß er seine Rechte als Mieter des Hauses Nummer 11 Sandicott Crescent umgehend und bedingungslos abtrete.
»Das ist ja phantastisch«, sagte Jessica, als er verschwunden war. »Jetzt können wir das Haus verkaufen und kriegen Geld.«
Doch Lockhart schüttelte den Kopf. »Noch nicht«, sagte er. »Wenn wir verkaufen, dann alle Häuser. Schließlich gibt es da ja noch die Kapitalgewinnsteuer.«
»Ach du meine Güte, warum muß immer alles so kompliziert sein«, sagte Jessica, »warum geht es nicht einfacher?«
»Es geht, Liebling, es geht«, sagte Lockhart. »Zerbrich dir bloß über solche Dinge nicht dein hübsches Köpfchen.« Dann ging er ins Wilsonsche Haus und machte sich wieder an die Arbeit. Dabei spielten der Plastikschlauch, die Kanalisation sowie die Gasleitung eine Rolle, und als er in dieser Nacht in seinem Neoprenanzug mit einem großen Klumpen Kitt in der einen und seiner Taschenlampe in der anderen Hand durch die Schachtluke in die Kanalisation schlüpfte, führte Lockhart nichts Gutes im Schilde. Mr. O‘Brain würde noch den Tag verwünschen, an dem er die Drohung des Kommandos Pursley der IRA ignoriert hatte. Den Schlauch hinter sich her ziehend, kroch er durch den zu Mr. O‘Brains Toiletten führenden Abwasserschacht. Eine befand sich im Erdgeschoß, die andere im Bad im ersten Stock. Rasch schob Lockhart den Schlauch durch das Abflußrohr nach oben und kittete ihn fest. Anschließend kroch er zurück, kletterte aus dem Kanalschacht, schob den Kanaldeckel wieder an seinen Platz und betrat das leere Haus der Wilsons. Dort drehte er den Hahn der Hauptgasleitung auf, an der er den Schlauch befestigt hatte, und wartete. Draußen war alles ruhig. Aus dem an der Straßenmündung stehenden Polizeiauto drangen gelegentlich irgendwelche Funksprüche, doch in East Pursley gab es keine kriminellen Aktivitäten, die die Aufmerksamkeit der Polizei erfordert hätten. Zu hören war lediglich ein leise gluckerndes, brodelndes Geräusch aus dem Knie unter Mr. O‘Brains Toilette im Erdgeschoß. Oben schlief Mr. O‘Brain tief und fest in dem Bewußtsein, unter Polizeischutz zu stehen. Nachts stand er einmal auf, um zu pinkeln, und bildete sich ein, Gas zu riechen, doch da er selbst nicht an das Gas-, sondern das Stromnetz angeschlossen war, glaubte er an einen Irrtum und ging wieder ins Bett. Mr. O‘Brain schlief noch tiefer, doch als er morgens aufwachte und nach unten ging, war der Geruch überdeutlich. Mr. O‘Brain griff zum Telefon sowie,
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